Der verlorne Sohn
Euch binden!«
Auch dieser Befehl verfehlte seine Wirkung nicht. Nur ein Einziger fuhr trotzig mit der Frage auf: »Mord und Tod! Wo ist denn der Hauptmann?«
»Er ist bereits gefangen und gefesselt,« antwortete der Fürst. »Er war der Führer, und Ihr seid die Verführten. Wenn Ihr Euch ergeben zeigt, wird man die möglichste Milde walten lassen.«
Das wirkte. Erst zögernd und knurrend, dann aber mehr und mehr willig gaben sie die Hände her, um sie sich binden zu lassen. Sodann wurden sie unter hinreichender Bedeckung abgeführt.
Jetzt erst kehrte der Fürst in sein Zimmer zurück. Er hatte die Narbe nebst Perrücke und Bart wieder angelegt. Er trat hinaus zu dem Gefangenen, welcher die Besinnung wieder erlangt hatte und mit offenen Augen dalag, doch ohne zu sprechen oder sich zu bewegen.
Der Polizist entfernte sich auf einen Wink des Fürsten. Dieser setzte sich dem Baron gegenüber und sagte in ernstem Tone: »Ich hatte Ihnen drei Tage Frist gegeben. Ich gab Ihnen außerdem den Beweis, daß ich Ihnen überlegen bin. Sie haben trotzdem die Gnadenfrist benutzt zu einem geradezu wahnwitzigen Unternehmen. Ich kann Ihnen nicht helfen; ich muß Ihnen den Rückzug, welchen ich Ihnen offenhalten wollte, verschließen. Ich werde Sie dem Untersuchungsrichter übergeben.«
»Hund!« knirschte der Gefangene.
»Ihr Schimpfwort trifft mich nicht. Sie kochen in Ihrem eigenen Gifte. Sie sind verloren.«
»Noch nicht!« stieß er höhnisch hervor.
»Ah! Denken Sie etwa an Gnade oder an Flucht? Lassen Sie sich nichts träumen!«
Da schüttelte er die gefesselten Hände gegen den Fürsten und rief:
»Und doch werde ich mich an Dir rächen, Bube!«
»Lächerlich! Sie sind verloren. Ihre ganze Vergangenheit, ja, jeder einzelne Tag derselben steht gegen Sie auf. Alle Ihre sogenannten Freunde, Ihre Verschworenen und Mitschuldigen erheben sich gegen Sie. Und wenn Sie noch nicht wissen, wer ich eigentlich bin, so will ich Ihnen sagen, daß ich früher Gustav Brandt genannt wurde. Ich bin der lebendige Paragraph, der Sie auf das Schafot bringen wird!«
»Noch nicht, noch nicht! Vorher wirst Du baumeln!«
»Das ist Wahnsinn! Wenn Sie vielleicht noch zu entkommen gedenken, so will ich Ihnen sagen, daß Sie mit Hand-und Fußschellen in Ihrer Zelle angeschlossen werden und daß sogar je ein Militairposten mit scharf geladenem Gewehr unter Ihrem Zellenfenster und vor Ihrer Zellenthür patrouilliren wird. Jetzt gute Nacht, Helfenstein! Wenn wir uns wiedersehen, so ist es vor dem Untersuchungsrichter!«
Er ging, und dann wurde auch dieser Gefangene in das Gefängniß gebracht.
Die bisherigen Bewohner desselben vermochten nicht, sich den Lärm zu erklären, welcher während der ganzen Nacht herrschte. Sie konnten vor all dem Klirren und Kettenrasseln nicht schlafen.
Noch bedeutender aber war am Morgen die Erregung der Residenzler, als es verlautete, daß während der letzten Nacht der Hauptmann sammt seiner ganzen Bande von dem Fürsten von Befour gefangen genommen worden sei.
Wer war nun dieser Hauptmann?
Erst verlautete nur Unbestimmtes; man rieth und rieth, umsonst; später wurden Namen genannt, fünf oder sechs, dann vier oder fünf, später zwei oder drei, bis zuletzt nur einer übrigblieb, und zwar war dies der richtige, der Baron Franz von Helfenstein.
Der erste Weg, welchen der Fürst nach einem kurzen Spätschlummer unternahm, führte natürlich in das Gerichtsgebäude. Das ganze Beamtenpersonal befand sich im Fieber, und der Fürst wurde mit einer Hochachtung begrüßt, welche mehr für ein überirdisches als für ein sterbliches Wesen paßte.
Er begab sich zu dem Staatsanwalt, welcher bereits auf ihn gewartet hatte.
»Endlich!« sagte er. »Er hat schon wiederholt bitten lassen, ihn vorzunehmen.«
»Wer?«
»Der alte Schmied natürlich. Oder dachten Sie vielleicht, der Hauptmann wolle schon beichten?«
»Das wird er wohl überhaupt nie thun.«
»Wollen sehen! Wir werden ihn mit Beweisen ja vollständig erdrücken, zermalmen.«
»Warum nahmen Sie den Schmied nicht vor?«
»Weil ich wünschte, daß Sie zugegen sein möchten. Jetzt werde ich ihn aber kommen lassen.«
Als der alte Wolf eintrat, zeigte er ein fast heiteres Angesicht. Es war, als sei eine Last von ihm genommen.
»Nun,« sagte der Staatsanwalt, »Sie waren bereit, mir aufrichtige Antworten zu geben?«
»Ja, Herr Staatsanwalt. Aber darf ich mir vorher vielleicht eine Frage erlauben?«
»Fragen Sie!«
»Es gab heute Nacht so viel Lärm. Ist
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