Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Helfenstein bekommt zwar Wasser, zu Essen aber bis auf Weiteres keinen Bissen. Notorische Mörder und Räuberhauptleute dürfen ihre Ansprüche nicht übertreiben. Führen Sie ihn ab. Er hat seinen Anzug abzulegen und ein Anstaltsgewand aus Drell zu tragen. Ich werde in einer Stunde nachsehen, ob diesem Befehle nachgekommen worden ist!« – –Der Akrobat Bormann lag noch am späten Vormittage schlafend in seinem Bette, als er von seinem Wirthe Wunderlich geweckt wurde.
    »Stehe auf!« sagte dieser. »Es sind außerordentliche Dinge geschehen, Dinge, die Du gar nicht glauben wirst.«
    »Was denn?« fragte der Langschläfer gähnend.
    »Der Hauptmann ist arretirt worden.«
    Sofort saß Bormann aufrecht in seinem Bette.
    »Wann?« fragte er.
    »Drei Uhr Morgens.«
    »Wo?«
    »Beim Fürsten von Befour.«
    »Alle Donnerwetter! So weiß man nun wohl auch, wer der Hauptmann ist?«
    »Man munkelt von dem Baron von Helfenstein.«
    »Da schlage doch das Wetter drein! Wie hat man ihn denn erwischen können?«
    »Er ist mit seiner ganzen Bande dort eingebrochen.«
    »Heiliges Pech! Sind außer ihm noch mehr gefangen?«
    »Alle, Alle! Und man vermuthet, daß noch mancher Andere arretirt werden wird, von dem man es gar nicht ahnt und denkt.«
    »Etwa Du?«
    »Oder Du!«
    »Pah! Aber nun weiß ich, was ich wissen will. Höre, mein bester Wunderlich, Du hast mich gestern Abend mit so unendlicher Freude willkommen geheißen, daß es mir wirklich noch unendlicher Leid thut, Deine Gastfreundschaft nur bis heute Abend genießen zu dürfen. Ich mache mich unsichtbar!«
    »Zieh ab mit hellem Klang der Lieder, und komme mir ja niemals wieder.«
    »Kerl, Du berstest ja vor Zärtlichkeit!«
    »Sie kommt aus einem aufrichtigen Herzen.«
    »Das glaube ich Dir. Hoffentlich aber siehst Du ein, daß es mir schwer wird, mich von Dir zu trennen.«
    »Ich lasse Dich auch nicht gern fort; da aber das Schicksal einmal beschlossen zu haben scheint, daß wir scheiden, so wollen wir uns drein fügen und nicht etwa eine Thränenflut vergießen, welche uns nur um unsere gute Stimmung bringen würde. Ich bin kein Freund unnützer Aufregungen.«
    »Ich auch nicht. Also, soll es geschieden sein, so sei es bald und mit dem Muthe starker Männer. Komm her und gieb mir den Abschiedskuß, alter Freund!«
    Er reichte ihm den Mund hin; der Andere aber sagte:
    »Danke sehr! Wen ich küssen soll, der muß ein appetitlicheres Maul haben als Du!«
    »Ganz wie Du willst. Also heute Abend gehe ich; eher wirst Du mich freilich nicht los. Du weißt, daß es einige Leute hier giebt, vor denen ich mich nicht sehen lassen kann.«
    »Ah, Deine guten Freunde von der Polizei!«
    »Sie sind ja auch die Deinigen. Nur bist Du ihnen noch nicht in das Netz gegangen; aber ich denke mir, daß dies seiner Zeit auch noch geschehen wird.«
    »Soll mir nicht einfallen. Mich ergreift man nicht!«
    »O, der Vogel, welcher so pfeift, geht am Leichtesten und am Ersten auf den Leim.«
    »Lassen wir das! Wieviel Uhr gehst Du?«
    »Punkt Mitternacht.«
    »Ich werde Dir öffnen. Hast Du vielleicht ein Geschäft?«
    »Möglich; Dich aber geht es nichts an!«
    Von jetzt an blieb Bormann den ganzen Tag und Abend allein. Er erhielt sein Essen und Trinken auf sein Zimmer, sonst aber bekümmerte sich Niemand um ihn.
    Es begann am Nachmittage wieder zu regnen; als es Abend wurde, goß es in Strömen, und gar gegen Mitternacht heulte ein rasender Sturm und peitschte den Regen mit solcher Gewalt gegen die Straßen, daß es kaum möglich war, sich auf den Beinen zu erhalten. Das war ganz das Wetter, wie Bormann es brauchte. Es befand sich ganz sicher kein Mensch auf der Straße, als nur Diejenigen, welche durch irgend einen Umstand gezwungen waren, sich in diesen Aufruhr der Elemente zu wagen.
    Punkt zwölf Uhr kam Wunderlich zu dem Akrobaten.
    »Nun, bist Du bereit?« fragte er.
    »Ja,« antwortete der Gefragte.
    »Dein Gang muß sehr nothwendig sein!«
    »Warum?«
    »Dieses fürchterliche Wetter – –«
    »Ist das allerbeste für mich.«
    »Danke bestens. Also komme!«
    »Warte! Hast Du nicht einen Hammer?«
    »Wozu?«
    »Das geht Dich nichts an!«
    »Oho! Wenn man Dich erwischt und findet den Hammer.«
    »Was ist’s dann weiter?«
    »Man könnte auf mich gerathen.«
    »Steht Dein Name auf dem Hammer?«
    »Nein.«
    »So bist Du ja in gar keiner Gefahr. Uebrigens hattest Du früher nicht nur einen, sondern mehrere Hämmer. Wähle den aus, den Du entbehren kannst.«
    »Gut! Aber von mir hast Du ihn

Weitere Kostenlose Bücher