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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gnädige Frau.«
    »Wenn ich nun diese Garantie nicht anerkenne?«
    »Das ändert nichts. Ich bin Vertreter des Gesetzes und erkenne sie an.«
    »Nun, so sage ich Ihnen, daß ich entfliehen werde, wenn Sie mich nicht festnehmen.«
    »Bedenken Sie wohl, was Sie thun!«
    »Ich bleibe bei meinem Vorsatze. Ich entfliehe.«
    »Dann muß ich mich allerdings Ihrer Person versichern.«
    »Das wünsche ich.«
    »Ich achte Ihre Beweggründe, doch erschweren Sie sich Ihre Lage wirklich gegen meinen Wunsch.«
    Er klingelte. Als der Wachtmeister eintrat, befahl er ihm:
    »Die Frau Baronin bleibt in Haft hier. Geben Sie ihr keine Zelle, sondern eins Ihrer abgelegenen Privatzimmer. Doch haften Sie mir dafür, daß sie nicht entflieht.«
    »Soll ich sie gleich mitnehmen?«
    »Ja.«
    Da fragte die Baronin:
    »Werden Sie mich heute noch verhören, Herr Staatsanwalt?«
    »Gewiß.«
    »Meinem Manne gegenüber?«
    »Nein. Das werden wir später thun. Erst habe ich die Einzelverhöre zu erledigen. Adieu jetzt, gnädige Frau!«
    Sie entfernte sich mit dem Wachtmeister. Auch der alte Schmied wurde entlassen, er hatte einstweilen genug mitgetheilt. Der Fürst durchschaute ihn. Er, nämlich der Schmied, hatte, als er in der Nacht sich in der Zelle seines Sohnes mit befand, diesem zugeflüstert: »Du bist unschuldig! Ich nehme Alles auf mich. Sorge nur für die Mutter!«
    Er hatte geglaubt, daß es nicht gehört worden sei; der Fürst aber hatte die Worte deutlich vernommen und hielt es nicht für seine directe Aufgabe, das Vorhaben des reumüthigen Alten zu durchkreuzen.
    »Jetzt nehme ich den Baron vor,« sagte der Staatsanwalt.»Wollen Sie hospitiren, Durchlaucht?«
    »Nein,« antwortete dieser. »Er würde meine Anwesenheit als Vorwand nehmen, Ihnen die Beantwortung Ihrer Fragen zu verweigern. Aber zwei Bitten habe ich.«
    »Ich erfülle sie gern.«
    »Lassen Sie den Schuhmacher August Seidelmann, welcher noch in Rollenburg inhaftirt ist, nach hier translociren, und bemächtigen Sie sich auch der Person des Apothekers Horn. Ueber den Riesen Bormann wird man sich ärztlichen Bericht erbitten müssen. Ich bin im Stande, ihn sofort zu heilen. Horn hat die betreffende Arznei.«
    Er ging, und nach kurzer Zeit wurde der Baron herein gebracht. Er war gefesselt, grüßte nicht, nahm aber sofort auf einem Stuhle Platz.
    »Ich habe Ihnen nicht erlaubt, sich zu setzen, stehen Sie auf!« gebot ihm der Anwalt.
    Er antwortete nicht. Der Beamte klingelte, und als der Wachtmeister eintraf, befahl er:
    »Nehmen Sie dem Angeklagten den Stuhl weg!«
    Der einstige brave Schließer Christian gehorchte und zog dem Baron den Stuhl fort, so mußte er stehen.
    »Herr Staatsanwalt, was erlauben Sie sich!« sagte er zornig. »Noch bin ich nicht verurtheilt!«
    »Aber Sie stehen unter Anklage!«
    »Ich muß sitzen. Ich bin krank!«
    »Ich werde Sie vom Gerichtsarzte untersuchen lassen. Hält er den Stuhl für Sie unvermeidlich, so werden Sie ihn haben, eher aber nicht.«
    »Ich bin ferner gefesselt!«
    »Aus triftigen Gründen.«
    »Ich weiß aber, daß kein Untersuchungsgefangener gezwungen werden kann, seine Aussagen unter Fesseln abzugeben!«
    »Es herrscht allerdings die humane Gepflogenheit, dem Gefangenen während des Verhöres die Fesseln abzunehmen; aber der Beamte ist trotzdem ermächtigt, dieselben beizulassen, wenn er triftige Gründe dafür hat.«
    »Haben Sie diese vielleicht?«
    »Gewiß!«
    »Welche?«
    »Ich bin Ihnen keineswegs Auskunft schuldig, sage Ihnen aber, daß Sie des Fluchtversuches verdächtig sind.«
    »Ah! Was hat mich verdächtig gemacht?«
    »Die Drohungen, welche Sie heute Nacht gegen den Herrn, welcher Sie gefangen nahm, aussprachen.«
    »Ach so. Das waren freilich keine leeren Drohungen; ich werde sie vielmehr wahr machen.«
    »So behalten Sie die Hand-und Fußschellen.«
    »Nun werde ich Ihnen keine einzige Antwort geben!«
    »Um so schlimmer für Sie. Machen wir aber wenigstens den Versuch. Ich werde Ihnen –«
    »Ah, pah! Geben Sie sich keine Mühe! Ich gebe Ihnen mein Wort, daß ich keine Sylbe antworte!«
    »Ich werde dies zu Protokoll nehmen!«
    »Meinetwegen!«
    »Und Sie haben es zu unterschreiben!«
    »Fällt mir nicht ein.«
    »Sie verweigern mir also Antwort und Unterschrift?«
    »Ja.«
    »Sie handeln zu Ihrem eigenen Schaden, und Sie irren sich in mir, wenn Sie glauben, mir in dieser Weise imponiren zu können. Herr Wachtmeister, hat der Gefangene Brod in seiner Zelle?«
    »Ja.«
    »Nehmen Sie es wieder heraus. Franz von

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