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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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er gefangen?«
    »Wen meinen Sie?«
    »Den Hauptmann.«
    »Ja, wir haben ihn sammt gegen dreißig Mann.«
    »Ich danke Ihnen. Jetzt sitzt auch er im Loche, und so will ich mich zufrieden geben.«
    »Er wird seine gerechte Strafe finden. Ich möchte Sie noch nicht vor das Protokoll nehmen, sondern mir aus Ihren Geständnissen lieber eine gewisse Uebersicht alles Dessen bilden, was wir zu behandeln haben werden. Es ist ganz gleichgiltig, wer Sie fragt, ob Seine Durchlaucht oder ich. Wem antworten Sie lieber?«
    »Das ist mir gleich. Aber da ich am Meisten gegen den gnädigen Herrn gesündigt habe, so bitte ich ihn, die Fragen auszusprechen.«
    Der Fürst nickte ihm mildfreundlich zu und sagte:
    »So will ich mich denn gleich einmal über Sie orientiren, Wolf. Ich habe Sie nie für einen wirklichen Verbrecher gehalten. Sagen Sie mir einmal aufrichtig, wessen Sie sich schuldig erkennen müssen.«
    »Zunächst im Allgemeinen des Schmuggels.«
    »Das ist freilich Ihre Hauptsünde.«
    »Aber ich sage Ihnen aufrichtig, daß ich es Ihnen zwar reumüthig gestehe, aber keinen Menschen in das Unglück stürzen werde. Unter hundert Grenzbewohnern schmuggeln neunzig. Ich nenne Keinen.«
    »Ich wenigstens verlange das auch nicht. Weiter!«
    »Sodann habe ich damals den Mörder des Hauptmannes von Hellenbach nicht angezeigt.«
    »Das werden Sie jetzt nachholen.«
    »Ja, gewiß. Ferner habe ich die kleine Leiche des Sohnes der Botenfrau entwendet, um sie in das Bett des kleinen Robert von Helfenstein zu legen.«
    »Was geschah mit Robert?«
    »Ich schaffte ihn nach der Residenz in’s Findelhaus.«
    »Wie heißt er jetzt?«
    »Robert Bertram.«
    »Wie?« fuhr der Staatsanwalt auf. »So wäre der Dichter der Heimaths-, Tropen-und Wüstenbilder der eigentliche Erbe der Baronie Helfenstein?«
    »Ja, gewiß,« antwortete der Fürst. »Aber, Wolf, warum verwechselten und raubten Sie den Knaben?«
    »Um ihn zu retten.«
    »Vor wem oder was?«
    »Vor Baron Franz, welcher ihn tödten lassen wollte, weil er ihm im Wege war.«
    »So hatte er Sie gedungen?«
    »Ja.«
    »Warum gingen Sie darauf ein?«
    »Um den Knaben zu retten. Hätte ich nicht ja gesagt, so hätte sich ein Anderer gefunden.«
    »Sie konnten ihn auf gesetzlicherem Wege retten, indem Sie den Baron Franz zur Anzeige brachten.«
    »Hätte man mir geglaubt, wenn ich gesagt hätte, daß er mich zum Morde seines Cousins habe dingen wollen?«
    »Sind Sie von ihm bezahlt worden?«
    »Ja.«
    »Wie hoch?«
    »Das weiß ich nicht genau. Ich habe oft von ihm erhalten.«
    »Und die Baronin Ella, ist sie mitschuldig?«
    Der Alte blickte nachdenklich vor sich nieder, dann hob er unter einem raschen Entschlusse den Kopf und sagte: »Ich möchte nicht gern ein Frauenzimmer unglücklich machen. Wenn ich einen Mann zusammentrete, so ist das etwas, was mich – na! Aber eine Frau! Hm!«
    »Sie werden aber dennoch bei der Wahrheit bleiben müssen.«
    Der Schmied wollte antworten, wurde aber unterbrochen. Der Wachtmeister trat ein und meldete, daß eine Dame den Herrn Staatsanwalt dringend sprechen wolle.
    »Wer ist sie?« frage dieser.
    »Die Baronin von Helfenstein.«
    Der Beamte warf einen fragenden Blick zu dem Fürsten hinüber. Dieser schien überrascht zu sein, nickte ihm aber aufmunternd zu.
    »Sie meinen, daß ich sie eintreten lasse?« fragte der Beamte.
    »Ja.«
    »Sogleich?«
    »Ja. Ich glaube nicht, daß Sie deshalb Wolf hier abtreten lassen müssen. Sie wird in derselben Angelegenheit kommen.«
    Der Anwalt nickte und befahl, die Dame zu rufen.
    Sie war heute noch schön, diese einstige Zofe Ella. Als sie sich näherte, so weiß und bleich, mit niedergeschlagenen Augen und zuckenden Lippen, fühlten die beiden Männer ein wirklich aufrichtiges Mitleid mit ihr.
    »Sie wünschen mich zu sprechen, gnädige Frau?« sagte der Staatsanwalt. »Mich allein?«
    »O, die Anwesenden können bleiben,« antwortete sie gleichgiltig und nur halblaut.
    »Bitte, nehmen Sie Platz!«
    »Nein, an dieser Stelle habe ich zu stehen.«
    »Ich habe Ihren Wunsch zu berücksichtigen. Bitte, sprechen Sie!«
    »Mein Mann befindet sich in Gefangenschaft?«
    »Leider ja.«
    »Und seine Mitschuldigen?«
    »Die größte Zahl derselben.«
    »Ich bin auch seine Mitschuldige. Ich bin sogar noch schuldiger als die Anderen. Ich bitte also, auch mir eine Gefängnißzelle anzuweisen.«
    »Ich halte dies nicht für dringend geboten.«
    »Warum nicht?«
    »Seine Durchlaucht hat die Güte gehabt, für Sie Garantie zu leisten,

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