Der verlorne Sohn
daß er gegen die Wand taumelte. Da waren auch schon Adolf und Anton bei der Hand, welche Bormann zu Boden rissen. Er hatte die eisernen Schellen an der Hand, ehe er noch einen klaren Gedanken fassen konnte.
Nun aber ließ er sich hören. Er stieß ein lautes Wuthgeheul aus und schlug mit den Beinen und den gefesselten Händen um sich.
»Einen Knebel!« befahl der Fürst. »Fesseln an die Füße!«
Die beiden Diener waren in der Ausführung solcher Befehle gewandt und erfahren. Einige Secunden – der Gefangene konnte sich nicht mehr bewegen, und im Munde stak der Knebel.
»Der Andere ist doch fort!« sagte der Fürst, indem er vergeblich an der Thür drückte. »Rasch ein Beil!«
Anton eilte die Treppe hinab, wo es unten jetzt lebendig wurde, und brachte aus der Küche, in welcher, da sie nach hinten lag, das Licht nicht ausgelöscht worden war, ein Beil herbei. Mit Hilfe desselben wurde die Thür aufgesprengt. Das Zimmer war leer, das Fenster offen und das Seil hing hinab.
»Entkommen, entkommen!« sagte der Fürst. »Wer von Ihnen war es, der sich räusperte?«
»Ich,« antwortete der Assessor aufrichtig. »Ich konnte es nicht unterdrücken. Es war eigentlich ein Husten, den ich nur mit der allergrößten Anstrengung bezwang.«
»So hat dieser Mensch seine Rettung Ihnen zu verdanken?«
»Er ist da hinab?«
»Ja. Es ist kein gewöhnlicher Pfuscher gewesen, sondern er hat mit einer staunenswerthen Geistesgegenwart gehandelt. Ich wiederhole, wenn wir den Hauptmann nicht fest hätten, so würde ich denken, er sei es gewesen.«
»Können wir ihm denn nicht nach?«
»In diesem Wetter? Bei dem Vorsprung, den er hat? Unmöglich!
Er ist uns verloren, wenigstens einstweilen. Hoffentlich aber finden wir noch seine Spur.«
Das Wuthgeschrei Bormann’s hatte die Schläfer geweckt. Sie, die nicht das Geringste geahnt hatten, kamen erschrocken herbei, um zu erfahren, was geschehen sei. Auch der Wirth fand sich mit seinem Personale ein. Der Fürst trat hinaus in den Corridor und erklärte: »Meine Herrschaften, es wurde hier ein Einbruch versucht, aber die Polizei war benachrichtigt worden. Wir haben den Mann ergriffen und es droht Ihnen keine Gefahr. Ziehen Sie sich in Gottes Namen wieder in Ihre Zimmer zurück! Ihre Anwesenheit kann uns nur die Ausübung unserer Pflicht erschweren!«
Ohne abzuwarten, ob sie seine Weisung befolgen würden, ließ er Bormann in das Zimmer tragen und die Thür verschließen. Der Knebel wurde entfernt, und nun fragte der Fürst: »Wer war der Andere, der sich bei Ihnen befand?«
»Niemand!« grinste der Gefragte.
»Sie wollen doch nicht sagen, daß Sie allein gewesen seien.«
»Nein.«
»Wer also war der Andere?«
»Ich weiß es nicht.«
»So, so! Wie sind Sie in das Hotel gekommen?«
»Wie Sie. Durch die Thür.«
»Nicht durch dieses Fenster?«
»Nein.«
»Was wollten Sie hier?«
»Uebernachten!«
»Nicht übel!«
»Ich werde gesucht, ich darf mich nicht sehen lassen. In dem Hundewetter fand ich keinen Ort zum Schlafen, darum schlich ich mich hier ein.«
»Mittels Nachschlüssel!«
»Nein.«
»Er steckt ja noch an!«
»Er gehörte dem Anderen, nicht mir.«
»So sagen Sie, wer dieser Andere war?«
»Ich weiß es nicht.«
»Sie werden schon noch besser antworten! Adolf, wollen einmal sehen, was er in den Taschen hat.«
Der Diener zog die Gegenstände hervor. Sie bestanden in einem Beutel mit wenig Münze, einer tombackenen Uhr, einigen schlechten Fingerringen, einem Messer, einem Hammer und mehreren Schlüsseln.
Der Fürst betrachtete den Hammer aufmerksam und fragte dann den Gefangenen:
»Wozu tragen Sie dieses Werkzeug bei sich?«
»Ich habe den Hammer heute gefunden.«
»Wo?«
»Auf der Gasse.«
»Bei diesem Regenwetter?«
»Ja.«
»Dann hätte der Regen das abgewaschen, was an dem Eisen klebt. Es ist Blut. Sehen Sie her, Herr Assessor!«
Der Hammer ging von Hand zu Hand. Alle waren einig, daß das, was an ihm klebte, Blut sei.
»Wie ist der Hammer blutig geworden?« fragte der Fürst.
»Ich weiß es nicht. Ich habe ihn gefunden.«
»So, so! Und diese Schlüssel. Woher sind sie?«
»Auch gefunden.«
»Wo?«
»Auch auf der Gasse.«
»Wunderbar! Wohl auch heute?«
»Ja.«
»Bei dem Hammer?«
»Ja.«
Es waren mehrere kleine und ein großer Schlüssel. Der Fürst betrachtete den letzteren aufmerksam, schüttelte den Kopf und sagte dann nachdenklich:»Gerade einen solchen muß ich bei Ihnen gesehen haben, Herr Assessor.«
»Bei mir? Wo?«
»Auf
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