Der verlorne Sohn
probiren.«
»Wie nun, wenn alle drei von innen verriegelt sind?«
»Das wäre fatal. Dem Riegel könnten wir mit dem Schlüssel gar nicht beikommen.«
»Dann säßen wir da!«
»Nicht doch! Ich würde klopfen.«
»Und Andere aufwecken.«
»Nein. Ich klopfe so leise, daß nur sie es hörte. Ich würde sagen, ich sei das Zimmermädchen und hätte ihr etwas Wichtiges mitzutheilen.«
»Und wenn wir eintreten, schreit sie laut und weckt sämmtliche Bewohner des Hauses auf!«
»Wir geben ihr einen einzigen Klapps, dann ist sie für immer ruhig.«
»Besser ist’s doch, der Schlüssel öffnet. Wann beginnen wir?«
»Jetzt noch nicht. Wenn sie vor so kurzer Zeit das Licht verlöscht hat, schläft sie ja noch nicht.«
»Gut, so warten wir! Aber, wo ist der Ort, an welchem wir dann theilen werden?«
»Draußen in der Vorstadt, ein verlassenes Gebäude.«
»Wäre es nicht besser, gleich hier zu theilen?«
»Warum?«
»Wir könnten uns dann gleich hier trennen.«
»Das geht nicht. Die Gegenstände müssen mit Muse taxirt werden, damit Keiner zu kurz kommt.«
»Pah! Auf hundert Gulden mehr oder weniger kann es bei Millionen doch nicht ankommen. Wir theilen die Sachen in zwei Haufen. Jeder nimmt einen Theil und dann sind wir fertig.«
»Nein, nein, so geht das nicht. Wollen uns überhaupt jetzt nicht streiten. Wir werden noch eine Zeit lang ganz ruhig sein und dann beginnen. Löschen wir einstweilen das Licht aus.«
»Wir sollten dann eine Blendlaterne haben!«
»Die habe ich. Nur keine Sorge«
Er löschte au, und nun warteten sie im Dunkel. Dabei gab Jeder seinen Gedanken Audienz.
»Esel!« dachte der Baron. »Ich mit Dir theilen! Was Du Dir einbildest! Habe ich Dich erst mit dem Schatze in der Eisengieserei, so bekommst Du eine Kugel vor den Kopf. Während dieses Orcanes hört kein Mensch den Revolverschuß und ich bin dann alleiniger Herr des Vermögens.«
Und Bormann dachte bei sich:
»Er denkt wirklich, daß ich ihm glaube! Der und mit mir theilen! Warum will er nicht gleich hier theilen? Ich soll ihm die Kastanien aus dem Feuer holen und dann schießt er mich nieder, wie einen Hund. Millionen theilt dieser Mann nicht mit mir. Bin ich nur erst überzeugt, daß wirklich solche Kostbarkeiten da sind! Erst bekommt die Tänzerin ihren Hieb und dann schlage ich ihn vor den Kopf, daß ihm der Athem mit einem Male ausgeht. Den Hammer habe ich ja noch bei mir.«
Nach längerer Zeit flüsterte der Baron:
»Jetzt können wir es versuchen. Nicht?«
»Meinetwegen! Also, wenden wir Gewalt an, wenn es nothwendig ist?«
»Natürlich! Ohne Beute gehe ich nicht.«
»Ich auch nicht.«
»So wollen wir anbrennen.«
Er zündete seine Laterne an, die er aus dem Reiseköfferchen genommen hatte, und steckte sie in die Tasche. Dann öffnete er leise die Thür und blickte forschend hinaus.
»Wie ist’s?« fragte Bormann hinter ihm.
»Alles gut. Eine einzige Gasflamme brennt. Vorwärts!«
Sie traten auf den Corridor hinaus und begaben sich zur nächsten Thür, welche in das Vorzimmer führte. Der Baron zog den Schlüssel hervor; steckte den Bart desselben in den Mund, um ihn mit Speichel anzufeuchten, damit er im Schlosse kein Geräusch verursache, und schob ihn dann unhörbar in das Schlüsselloch.
»Geht es?« flüsterte Bormann.
»Warten!«
Er drehte langsam, leise, leise. Ein ganz geringes, kaum wahrnehmbares Knirschen, dann sagte er.
»Die Thür geht auf. Da!«
Er zog sie mit einem raschen Rucke herüber und blickte in das Zimmer. Es war dunkel.
»Machen Sie wieder zu!« warnte Bormann.
Der Baron that es und zog dann die Laterne hervor, um einen raschen Lichtblitz umherfallen zu lassen. Sie erblickten nur die nackten Möbels.
»Hier giebt es nichts,« flüsterte er. »Weiter.«
Die Thür, welche in das Wohnzimmer führte, stand offen. Der Baron hatte das Glas der Laterne wieder verhüllt und huschte weiter. Bormann folgte leise.
»Leuchten Sie!« raunte er dem Baron zu.
Dieser befolgte die Weisung, steckte aber die Laterne sofort wieder ein.
»Haben Sie gesehen?« fragte er.
»Ja. Tisch, Sopha, Stühle, einen Schrank. Weiter nichts. Die Kostbarkeiten sind jedenfalls da drinnen.«
Dabei deutete er, trotzdem es dunkel war, nach dem Schlafzimmer.
»Natürlich!« antwortete der Baron. »Horchen Sie einmal! Hören Sie etwas?«
»Nein,« antwortete Bormann nach einer Pause angestrengten Lauschens.
»Man hört keinen Athemzug. Sie scheint sehr leise zu schlafen. Da wird sie leicht erwachen.«
»Ich
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