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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Darlehn?«
    »Ja.«
    »Hm! Der Lieutenant gab aber auch Banknoten dafür.«
    »Das wäre allerdings sonderbar!«
    »Tausch oder Wechsel, wer weiß das!«
    »Hm! Man spricht in neuerer Zeit davon, daß außerordentlich viele neue Fünfzigguldennoten coursiren. Die Zahl dieser Noten soll geradezu auffallend sein. Es scheint ein Räthsel hier zu geben!«
    »Das Räthsel kam noch, nämlich es stand ein Dritter bei ihnen, mit Regenmantel und Caputze.«
    »Ah! Sahen Sie das Gesicht?«
    »Nein; aber ich beschloß, aufzupassen. Ich lief zur nächsten Ecke und instruirte den Wächter.«
    »Bravo! Was nun?«
    »Die Drei verschwanden nach oben. Nach einer Viertelstunde wohl öffnete Wunderlich die Hausthür, spähte vorsichtig umher und ließ den Officier heraus.«
    »Scharfenberg!«
    »Ich dachte es.«
    »Ah! War er es denn nicht?«
    »Bitte, hören Sie! Ich war natürlich überzeugt, daß es Scharfenberg sei. Doch schien mir der Gang jetzt ein anderer zu sein; zudem hatte ich einmal Interesse gefaßt und so bat ich den Wächter, dem Officier zu folgen, um zu erfahren, wohin er gehe.«
    »Natürlich nach seiner Wohnung!«
    »O nein!«
    »Wohin denn?«
    »Er ist zur Stadt hinaus und hinter dem Petrikirchhofe über die Wiesen nach dem Flusse gegangen. Dem Wächter ist es nicht möglich gewesen, ihm weiter zu folgen.«
    »Das ist freilich sehr auffallend! Was hat Scharfenberg zu dieser Stunde dort zu suchen, nach einem so geheimnißvollen Aufenthalte bei Wunderlich? Hinter diesem Kirchhofe liegt ja auch die Scheune, unter welche die Leda, seine Geliebte, ihr ermordetes Kind versteckte. Ich bin höchst gespannt. Fahren Sie fort. Vielleicht haben Sie eine höchst interessante, werthvolle Beobachtung gemacht.«
    »O, sie ist noch viel, viel interessanter, als Sie meinen. Natürlich erwartete ich nun den Mann mit dem Regenmantel und gab dem Wächter einen Wink, ihn anzuhalten. War es der Gesuchte nicht, so schadete es ja nichts.«
    »Richtig. Aber er kam nicht!«
    »O, er kam.«
    »Wirklich? Jetzt kommt die Hauptsache!«
    »Es ist auch die Hauptsache. Also er kam, mit Regenmantel, Caputze und Koffertasche, ganz so, wie der Hauptmann beschrieben wurde.«
    »Sapperment! Sie hielten ihn doch fest?«
    »Natürlich!«
    »Nun weiter! War’s der Hauptmann?«
    »Nein.«
    »Ah! Wer denn?«
    »Der Herr Lieutenant von Scharfenberg.«
    Der Assessor blickte den Erzähler sprachlos an. Er war ganz verblüfft. Dann aber brach er los:
    »Donnerwetter! Wollen Sie mich utzen?«
    »Kann mir nicht einfallen!«
    »Also wirklich der Scharfenberg?«
    »Ja, wirklich.«
    »Sie haben sich nicht geirrt?«
    »Ich habe sogar mit ihm gesprochen. Er drohte mit einer Beschwerde, daß man ihn angehalten habe.«
    »Was soll man dazu sagen?«
    Der Fürst hatte bisher still zugehört. Jetzt meinte er:
    »Es ist hier nur ein Fall möglich.«
    »Welcher, Durchlaucht?«
    »Baron von Helfenstein und Lieutenant von Scharfenberg haben sich bei Wunderlich getroffen, vorsätzlich oder zufällig; das wird sich finden. Um fliehen zu können, hat der Baron den Officier vermocht, den Anzug mit ihm zu wechseln. Das ist sehr einfach.«
    »Dann müßte der Baron eine große Gewalt über Scharfenberg besitzen.«
    »Warum nicht? Er hat manchen Anderen auch beherrscht. Wer kann solche Verhältnisse durchschauen.«
    »Ah! Wenn Sie richtig vermutheten. Aber noch ist nicht erwiesen, daß jener Mann mit der Caputze auch wirklich der Hauptmann gewesen sei. Herr Doctor Holm hat ja sein Gesicht nicht sehen können.«
    »Was mich betrifft,« erklärte Holm, »so bin ich überzeugt, daß er es gewesen ist.«
    »Ich werde mir Klarheit holen,« sagte der Fürst, indem er von seinem Sitze aufstand.
    »Wie?«
    »Ich gehe sofort zu Scharfenberg.«
    »Wäre das nicht vielmehr meine Sache, als Amtsanwalt?«
    »Vielleicht, doch bitte es mir zu überlassen. Sie können ja mitgehen und in der Nähe warten.«
    »Gut, brechen wir auf!«
    »Erst eine kleine Veränderung meiner Person. Ich möchte mich so tragen, wie mich der alte Hausmann bei Scharfenbergs bereits einmal gesehen hat.«
    Bereits nach zehn Minuten schritt er, seine beiden Begleiter zurücklassend, auf das alte Patrizierhaus der Familie Scharfenberg zu. Das obere Stockwerk desselben zeigte kein erleuchtetes Fenster; aber durch einige Ladenritzen des Parterres blickte Licht.
    Der Fürst klopfte leise. Dann wurde ein Fenster geöffnet, und eine männliche Stimme fragte: »Wer ist’s?«
    »Sind Sie der Hausmann Kreller?«
    »Ja.«
    »Ich bin der

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