Der verlorne Sohn
genau so wie sie gekleidet ist.«
»Ich bin es nicht.«
»Wer sind Sie!«
»Das ist nur meine Sache.«
»Wenn Sie sich nicht ausweisen, muß ich Sie zur Wache bringen. Es ist besser, Sie antworten.«
»Entsetzlich! Ich bin der Lieutenant von Scharfenberg.«
»Den kenne ich nicht. Bitte um Legitimation!«
»Donnerwetter! Ich werde mich doch nicht hier in meiner Garnison vor jedem Nachtwächter zu legitimiren haben. Ich werde mein Recht suchen.«
»Das kann mich nicht in Verlegenheit bringen. Sie gehen mit der Reisetasche spazieren?«
»Ja, wenn es mir beliebt. Was noch?«
Da trat Holm herzu und sagte zu dem Wächter:
»Wie nennt sich dieser Herr?«
»Lieutenant von Scharfenberg.«
»Er ist es auch. Lassen Sie ihn gehen.«
»Das will ich Euch gerathen haben,« räsonnirte der Officier. »Dieses Mal will ich es noch hingehen lassen. Laßt es Euch zur Lehre dienen.«
Als er fort war, meinte der Wächter:
»Da haben wir es. Warum beauftragen Sie mich?«
»Um eine Spur des Hauptmannes zu entdecken.«
»Haben Sie sie denn nun?«
»Ja. Ich werde dafür sorgen, daß es auch Ihnen angerechnet wird.«
Er ging trotz der späten Stunde nicht nach Hause, sondern er begab sich nach dem Palast Befour. Der Fürst war nicht schlafen gegangen. Es befand sich sogar der Assessor von Schubert bei ihm. Sie zogen es vor, das Ereigniß des heutigen Abends nach allen Seiten hin zu beleuchten.
»Sie kommen noch?« fragte der Fürst. »Da steht zu vermuthen, daß Sie eine Botschaft bringen?«
»Allerdings, Durchlaucht.«
»Wegen des Hauptmannes?«
»Möglich.«
»Bitte erzählen Sie!«
»Ich begab mich von Ihnen hinweg nach Hotel Union, um Miß Starton Bericht zu erstatten – –«
»Und – –« fiel ihm der Fürst in die Rede, »auch um die Dame zu beruhigen?«
»Nebenbei!« antwortete Holm erröthend.
Der Fürst blickte ihn scharf an, lächelte überlegen, drohte mit dem Finger und sagte:
»Solche Nebensachen werden oft zum Hauptgegenstande. Darf man Glück wünschen?«
»Nein, Durchlaucht. Tausend Wünsche können mir keinen Hauch des Glückes bringen, welches ich wirklich empfinde.«
»Recht so! Ich gönne es Ihnen von ganzem Herzen. Nun bitte, fahren Sie fort!«
»Als ich mich verabschiedete, war ich geistig so engagirt, daß ich nicht an Schlaf zu denken vermochte; ich strich also mit den Wächtern und Polizisten durch die Gassen und Straßen. Sie hatten erfahren, daß ich heute mit dabei gewesen war und räumten mir in Folge dessen einmal gleiche Rechte ein. Vom Neumarkte geht ein kleines, enges Gäßchen nach der Tiefenstraße. Das Eckhaus gehört einem Herrn Wunderlich. Der Flur dieses Hauses war erleuchtet. Bei Veranlassungen wie heute ist man doppelt argwöhnisch. Ich schlich zur Thür und sah durch das Schlüsselloch, daß Wunderlich im Flur auf und ab ging, als ob er Jemanden erwarte. Das konnte eigentlich nicht auffallen; ich stellte mich aber doch an die andere Seite des Gäßchens und wartete.«
»Da kam der Hauptmann?« fragte der Assessor in scherzhaftem Tone.
»Wenigstens sein Anzug.«
»Was Sie sagen! Der Regenmantel mit Caputze?«
»Nein, sondern es kam ein Officier, langsam, vorsichtig, als ob er ein böses Gewissen habe.«
»Officier? Böses Gewissen? Wollen Sie den Rock des Königs blamiren?«
»Nein, denn der Rock kann nichts dafür.«
»Aber der Träger dieses Rocks? Bin neugierig, was wir da erfahren werden! Weiter!«
»Der Officier klopfte an, und Wunderlich öffnete. Beim Scheine des Lichtes, welches auf der Treppe stand, erkannte ich den Lieutenant von Scharfenberg.«
»Ah, den!«
Der Assessor war dem Lieutenant nicht gewogen, und wäre es auch nur wegen der letzten Unterredung gewesen, welche er mit ihm gehabt hatte.
»Was ist dieser Wunderlich?« fragte er.
»Er schreibt sich Rentier.«
»Man kennt das. Vielleicht heimlicher Geldverleiher. Der Lieutenant soll sich zuweilen in Verlegenheit befinden. Darum vielleicht dieser späte, heimliche Besuch.«
»Ich dachte zunächst auch daran. Doch fiel mir auf, daß dieser Besuch nur in dem Hausflur abgethan wurde.«
»Seltsam zwar, aber doch nicht verdächtig.«
»Bitte, weiter zu hören! Ich sah wieder durch das Schlüsselloch. Ich konnte hindurchsehen, obgleich der Schlüssel steckte; stak nämlich mit dem Barte nach oben gedreht. Sie verhandelten eine kleine Weile mit einander; dann ging Wunderlich nach oben und kehrte mit Banknoten zurück, welche er dem Lieutenant gab.«
»Ah, also doch!«
»Sie meinen
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