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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Fürst des Elendes. Lassen Sie mich heimlich ein!«
    Nach kurzer Zeit wurde die Hausthür sehr vorsichtig geöffnet und der Hausmann, welcher ein Licht in der Hand hatte, begrüßte auf’s Unterthänigste den Fürsten.
    »Der Herr Lieutenant schläft bereits?« fragte dieser.
    »Nein.«
    »Ich sehe doch kein Licht!«
    »Er ist noch ausgegangen.«
    »Wann?«
    »Um – um – – um –« stotterte der Alte.
    »Sagen Sie die Wahrheit! Ich meine es gut!«
    »Vor einer Viertelstunde.«
    »Warum öffnen Sie da so vorsichtig?«
    »Ich denke, meine Frau, welche schläft, braucht nicht zu wissen, was geschieht.«
    »Sehr gut! Pst!«
    Auf diesen letzten Laut kamen der Assessor und Doctor Holm herbei. In ihrer Gegenwart fragte der Fürst:»Der Lieutenant ist vor einer Viertelstunde wieder fort. Wann kam er vorher nach Hause?«
    »Zehn Minuten vorher.«
    »In Uniform?«
    »In Civil.«
    »War er denn in Civil ausgegangen?«
    »Nein, sondern in Uniform.«
    »Wo hat er den anderen Anzug her?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Ging er in Civil wieder fort?«
    »Nein.«
    »Ich errathe. Er wird in das Cavaliercasino gegangen sein, um ein Spielchen noch zu machen.«
    »Leider, leider.«
    »Hatte er eine Tasche mit?«
    »Ja. Sie liegt oben in seinem Zimmer.«
    »Ist dies verschlossen?«
    »Nein.«
    »Führen Sie uns hinauf!«
    Der Alte gehorchte. Droben lag auf den Stühlen der Anzug des Barons. Die Taschen wurden untersucht. Es fand sich ein goldener Bleistifthalter, welcher vergessen war und die Buchstaben
F.v.H.
zeigte. In der Tasche gab es Toilettemittel, falsche Bärte und eine Perrücke. Auf dem Bügel waren dieselben drei Buchstaben eingravirt. Es war kein Zweifel zu hegen, daß diese Gegenstände dem Baron Franz von Helfenstein gehört hatten.
    »Ich verbiete Ihnen, Ihrem Herrn ein Wort von unserer Anwesenheit zu sagen,« meinte der Fürst. »Es würde zu Ihrem Unglücke sein.«
    Sie gingen. Auf der Straße angekommen, fragte er Doctor Holm:
    »Wissen Sie nicht, ob der Officier, welcher aus Wunderlich’s Haus kam, Sporen trug?«
    »Ganz gewiß. Sporen und Degen.«
    »So hat er sicher eine genaue Fährte in dem vom Regen aufgeweichten Boden zurückgelassen. Wir wollen Befehl geben, daß bis Tagesanbruch kein Mensch jene Gegend betreten darf.«
    »Soll ich das thun?« fragte der Gerichtsbeamte.
    »Das würde mir lieb sein, da ich noch anderweit beschäftigt bin.«
    »Auch in dieser Angelegenheit?«
    »Ja. Ich werde Ihnen das Nöthige später mittheilen.«
    Sie trennten sich. Doctor Holm ging nach Hause, nachdem er von dem Fürsten die Weisung erhalten hatte, sich reisefertig zu machen und mit Tagesanbruch bereit zu sein. Der Beamte beeilte sich, den erwähnten Befehl zu geben, und der Fürst schlenderte langsam dem Cavalierscasino zu.
    Als er dort ankam, war man nicht gleich bereit, ihn einzulassen, sondern es wurde erst eine Art von Verhör angestellt. Als er klopfte, öffnete das Mädchen die Thür nur ein wenig und fragte:»Was wollen Sie?«
    »Bedient sein,« antwortete er kurz.
    Bei diesen Worten ergriff er die Thür, um sie ganz zu öffnen, wurde aber durch eine innerhalb vorhängende Sicherheitskette verhindert.
    »Wer sind Sie?« fragte das Mädchen weiter.
    »Auch ein Cavalier.«
    »Ihr Name?«
    »Den werde ich dem Wirthe selbst sagen.«
    »Warten Sie!«
    Sie machte wieder zu, und er stand nun allein auf dem Vorplatze. Er mußte eine ganze Weile warten, bis die Thür wieder aufging und der Wirth zu ihm heraustrat.
    »Mein Herr, es ist hier nicht eine öffentliche Restauration, sondern ein geschlossenes Casino.«
    »Das weiß ich. Und grad aus diesem Grunde erscheint es mir seltsam, daß man es Ihnen, als dem Wirthe, überlassen hat, die Erlaubniß zum Eintritte zu ertheilen.«
    »Es verkehren hier nur Cavaliers.«
    »Können Sie bestimmen oder entscheiden, ob ich einer bin oder nicht? Das können doch nur die anwesenden Herren, und sie hätten mich also ungehindert eintreten zu lassen. Aber ich will nicht mit Ihnen rechten. Ich bin der Fürst des Elendes.«
    »Ah!«
    »Darf ich also hinein?«
    »Sehr gern; bitte, bitte!«
    Er riß die Thüre weit auf und machte eine sehr tiefe, einladende Verbeugung. Dann, als der Fürst eingetreten war, fragte er diesen in demüthiger Haltung: »Darf ich den Herren sagen, wer uns die Ehre erweist?«
    »Wenn sie fragen, ja, sonst aber nicht. Ich beabsichtige, hier in Ruhe eine Flasche Wein zu trinken. Geben Sie mir die Karte!«
    Er erhielt die Weinkarte, wählte aus und wurde bedient. Dann

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