Der verlorne Sohn
den Koffer des Barons verbrennen und dann zu Wunderlich, um ihn zu warnen, damit er sich nicht verschnappt, falls er gefragt wird.«
Und der Fürst sagte zu sich:
»Jetzt eilt er heim, um die Sachen zu vernichten, und dann sucht er ganz sicherlich Wunderlich auf. Wollen sehen!«
Er begab sich nach dem Neumarkt und trat in das dortige Polizeilocal. Da alle Polizisten wegen der Flucht des Hauptmannes auf den Beinen waren, so fand er eine ansehnliche Anzahl derselben beisammen. Er legitimirte sich und bat sich dann einen gewandten Beamten zum Begleiter aus.
Mit diesem begab er sich nach der Seite des Marktes, an welcher das Haus Wunderlichs lag. Dort hielt der Nachtwächter, mit dem Holm gesprochen hatte. Der Fürst trat mit dem Polizisten zu ihm und fragte: »Sie haben sämmtliche Nachschlüssel bei sich?«
»Ja, mein Herr.«
»Geben Sie mir den von Nummer
12
.«
»Darf ich das?«
»Sie sehen, daß mein Begleiter Polizist ist. Wir werden in das Haus treten; von da behalten Sie es scharf im Auge, hindern aber Niemand, hineinzugehen.«
Der Wächter machte den Schlüssel von dem eisernen Ringe los und gab ihn dem Fürsten, welcher sich der Thür mit dem Polizisten vorsichtig näherte. Er schloß auf und, als sie eingetreten waren, wieder zu. Dann zog er sein kleines mit Oel und Phosphor gefülltes Fläschchen aus der Tasche.
Es warf einen ganz genügenden Schein umher. Der Polizist bemerkte dies mit Verwunderung und sagte: »Das ist praktischer als eine Blendlaterne.«
»Unter Verhältnissen, ja. Wir brauchen kein helleres Licht.«
»Darf ich fragen, was wir hier beabsichtigen?«
»Natürlich. Wir verstecken uns hier. In kurzer Zeit wird, wenn ich mich nicht täusche, Jemand kommen, um mit dem Wirthe dieses Hauses eine Unterredung zu haben. Diese müssen wir auf alle Fälle belauschen.«
»Warum?«
»Man wird von dem Hauptmanne sprechen, dessen Flucht hier Unterstützung fand.«
»Sapperment!«
»Man wird ferner vielleicht von falschen Fünfzigguldennoten reden, welche in diesem Hause fabrizirt werden.«
»Ist das möglich!«
»Fast gewiß.«
»Wo aber werden die Beiden ihre Unterredung abhalten?«
»Ich glaube nicht, daß sie nach der Etage gehen. Wir wären in diesem Falle gezwungen, ihnen zu folgen. Hoffentlich machen sie ihre Sache hier im Flur ab, und so wollen wir sehen, ob sich hier ein Versteck für uns bietet.«
»Vielleicht unter der Treppe.«
»Ja. Ah, da ist ein Verschlag!«
»Verschlossen?«
»Nein. Sehen wir einmal, was er enthält.«
Er leuchtete hinein.
»Pappen,« meinte der Polizist. »Das giebt ein gutes Versteck.«
»Glücklicher Weise! Aber, sehen Sie, was ist das?«
»Ein runder, nasser Fleck auf den Pappen.«
»Und hier unten?«
»Hier sieht es aus, als ob Stiefelabsätze ihre Spuren zurückgelassen hätten. Sollte hier Jemand gesessen haben?«
»Ganz sicher. Sehen wir einmal nach der Hinterthür.«
Er leuchtete hin. Beide betrachteten aufmerksam die Steinplatten. Dann meinte der Fürst:
»Kein Zweifel! Es ist Jemand zur Hinterthür hereingekommen. Hier hat er eine kurze Weile gestanden und das Regenwasser ist von seinem Mantel herabgetropft oder vielmehr geradezu herabgelaufen. Wissen Sie, wer das war?«
»Wie kann ich das wissen!«
»Der, den Sie suchen.«
»Sie meinen doch nicht etwa den Hauptmann?«
»Grad ihn und keinen Anderen. Sie werden noch davon hören. Treten Sie in den Verschlag. Es ist leidlich Platz für Zwei. Ich denke, wir werden nicht sehr lange zu warten haben.«
Sie krochen hinein und setzten sich neben einander auf die Pappen. Der Fürst zog die Thür zu und steckte sein kleines Phosphorlaternchen wieder in die Tasche.
Nun war es ganz dunkel um sie her. Der Regen hatte nachgelassen, und auch der Wind hatte sich gelegt. Es war draußen und im Hausflur so still, daß den beiden Lauschern nicht das geringste Geräusch entgehen konnte. Da sagte nach einer kleinen Weile der Polizist: »Wäre es nicht besser, wenn ich eine deutliche Instruction empfangen könnte?«
»Vielleicht. Was wollen Sie wissen?«
»Handelt es sich um eine Arretur?«
»Unter Umständen. Ich werde es Ihnen sagen.«
»Wer ist Der, den Sie erwarten?«
»Ein Officier.«
»Wetter noch einmal!«
»Der Lieutenant von Scharfenberg.«
»Ah, Der. Aber dürfen wir uns seiner bemächtigen?«
»Warum nicht?«
»Er gehört dem Militärgerichte an. Wir dürfen uns nicht an dem Rocke des Königs vergreifen.«
»Ich vermuthe, daß er jetzt Civil anlegen
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