Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
weit!«
    »Ja. Sie müssen immer quer durch die Berge. Eine eigentliche directe Straße giebt es nicht. Sie hätten auf der Eisenbahn bleiben sollen.«
    »Das wollte ich nicht. Ich wollte den ersten Schritt in die Heimath mit meinen eigenen Füßen thun. Daß ich so quer über die Berge steigen muß, ist mir ganz lieb. Auf diese Weise lerne ich die Heimath gleich gut kennen.«
    »Haben Sie Verwandte dort?«
    »Ja. Der Bruder meines Vaters lebt noch dort. Er heißt Weber.«
    »Das ist also auch Ihr Name?«
    »Ja, natürlich. Mein Oheim ist ein armer Holzschnitzer, soll aber jetzt mit Obst handeln. Auch mein Vater war Schnitzer; er kam auf den klugen Gedanken, auszuwandern. Drüben ging sein Geschäft gut, von Jahr zu Jahr besser. Ich wuchs mit der Zeit heran, hatte aber keine Lust zum Holzschnitzen. Ich ging in die Welt, wurde Dieses und Jenes, zuletzt gar Goldsucher – – –«
    »Ah! Waren Sie glücklich?«
    Diese Frage war etwas zu unvorsichtig schnell ausgesprochen. Dem Amerikaner fiel dies nicht auf. Er antwortete: »O, lange Zeit nicht.«
    »Endlich aber doch?«
    »Ja, endlich!«
    »Wohl in Californien?«
    »O nein. Die Blüthezeit für die Goldsucherei war für Californien bereits vorbei. Ich ging weiter nach Süden, nach den Grenzländern von Texas und Mexico.«
    »Und dort waren Sie glücklich?«
    »Ja. Ich fand eine Bonanza.«
    »Was ist das?«
    »Das ist ein spanischer Goldsucherausdruck, den ich Ihnen erklären will. Wissen Sie, wer der fleißigste und auch glücklichste Goldsucher ist?«
    »Nun?«
    »Das Wasser.«
    »Wieso?«
    »Da, wo das edle Metall sich findet, wird es von dem Wasser, welches die leichte Erde fortwäscht, bloßgelegt, oft zu großen Klumpen. Nach und nach wird es aus seinem Halt gerissen und von dem Wasser fortgespült. Wenn nun im Bette eines Wildbaches oder, sagen wir vielmehr Goldbaches, eine Stelle kommt, welche aus lockerem, tiefgrundigem Sande besteht, so wird dieser Sand ausgewaschen und fortgeschlemmt. Da, wo sich der Sand befunden hat, entsteht also ein großes Loch unter dem Wasser, eine Vertiefung, in welche alles Schwere, was von dem Wasser herbei gebracht wird, hinabfällt.«
    »Ah, ich verstehe!«
    »Auf diese Weise entstehen in diesen Bächen tiefe Löcher, in welche seit Jahrhunderten das Gold hinabgespült worden ist. Wer nun so ein Loch findet, der ist ein gemachter Mann.«
    »So ein Loch heißt also Bonanza?«
    »Ja.«
    »Wie bekommt man das Gold heraus?«
    »Entweder durch Tauchen, was aber lebensgefährlich ist, oder dadurch, daß man das Wasser ableitet, bis man das Loch geleert hat.«
    »Sie haben wohl das Letztere gethan?«
    »Ja.«
    »War die Ausbeute reich?«
    Der Amerikaner lächelte still vor sich hin und antwortete:
    »Ich bin zufrieden! Als ich den Bach ableitete, bemerkte ich zu meinem freudigen Schrecke, daß sich mehrere solche Bonanzen neben einander befanden.«
    »Sie glücklicher Mann!«
    »Ja, ich war mit einem Schlage steinreich. Als ich dann nach Hause kam, war indessen der Vater gestorben. Ich verkaufte sein Geschäft, welches mir sehr gut bezahlt wurde, und beschloß, in die alte Heimath zu gehen.«
    »Vielleicht, um sich hier anzukaufen?«
    »Ja. Zu einem Rittergütchen wird es langen, vielleicht auch zu dreien, vieren oder fünfen.«
    Er blickte dabei seelenvergnügt über die vor ihm liegenden Bergkuppen hinaus, als ob er bereits die Rittergüter sehe, welche zu kaufen, in seiner Absicht lag. Deshalb bemerkte er es nicht, daß das Auge des Barons verlangend aufleuchtete und forschend an seiner Gestalt herniederfuhr. Es war, als ob der Baron ergründen wolle, ob er mit diesem fremden Manne einen Kampf auf Leben und Tod um sein Vermögen aufnehmen könne.
    »Da müssen Sie aber doch wohl Ihr ganzes Vermögen flüssig gemacht haben?« fragte er dann in dem gleichgiltigsten Tone, welcher ihm möglich war.
    »Natürlich.«
    »Hoffentlich sind Sie aber doch so klug, es nicht bei sich zu tragen, Herr Weber?«
    Der Gefragte blickte ihn lachend an und antwortete:
    »Wäre das denn unklug?«
    »Man weiß ja nie, was geschehen kann!«
    »Ah, was soll geschehen?«
    »Sie sprachen vorhin von dem Hauptmann, welchen man sucht.«
    »Soll ich mich etwa vor ihm fürchten?«
    »Hm!«
    »Pah! Erstens steht doch nicht zu erwarten, daß er Niemandem als gerade mir begegnen werde. Zweitens würde ich ihm auch gar nicht sagen, ob ich Geld bei mir habe. Und endlich drittens fragte es sich sehr, ob ich mich vor ihm fürchten würde. Ich bin bewaffnet.«
    Er griff in

Weitere Kostenlose Bücher