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Der Vermesser (German Edition)

Der Vermesser (German Edition)

Titel: Der Vermesser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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dass es niemanden mehr gab, der wenigstens noch zur Pumpe hätte gehen können, um einen Schluck Wasser zu holen. Am besten dachte man nicht darüber nach. Wenn man zu viel grübelte, war man selbst womöglich der Nächste.
    Jetzt war im Parlament die Rede davon, das ganze Abwassernetz von Grund auf zu erneuern. Tom hätte es nicht geglaubt, wenn er es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, aber in den letzten Monaten hatten immer wieder feine Herren ihre seidenen Hüte und glänzenden Schuhe mit den ledernen Mützen und den hohen Schaftstiefeln von Tunnelarbeitern vertauscht und waren zusammen mit Ausspülertrupps in die Kanalisation gestiegen. Die Gentlemen blieben zwar nur ein, zwei Stunden unten, aber sie marschierten in die Tunnel hinein wie Forschungsreisende, die sich in ferne Erdteile begeben, und ihre Führer waren schwer beladen mit Laternen, Mappen und zahllosen Instrumenten zum Messen und Inspizieren und was auch immer. Es war leicht festzustellen, wenn ein solcher Trupp unten war, denn sie postierten oben auf der Straße entlang ihrer Route eine Reihe von Leuten, die sie warnen sollten, falls Regen einsetzte. Manchmal hörte Tom den Widerhall eines in der Ferne klappernden Kanaldeckels, mit dem signalisiert wurde, dass es Zeit war rauszusteigen. Ein- oder zweimal war Tom selbst dieser Warnung gefolgt, aber es wäre nicht nötig gewesen. Vielleicht, hatte Joe zwinkernd gemeint, mochten es die feinen Herren nicht so gern, wenn ihnen Wasser über ihre empfindlichen weißen Knöchel lief. Eilig hatten sie es jedenfalls nicht mit der Sache, so viel stand fest. Bisher hatten sie nicht mehr als einen einzigen neuen Abwasserkanal unter der neuen Victoria Street zustande gebracht, der von der Holborn Bridge aus nach Norden verlief. Er war kaum länger als dreißig Meter, und es hatte über ein Jahr gedauert, bis er fertig war. Bei diesem Tempo wäre Tom längst unter der Erde, ehe sie es bis hinauf nach Clerkenwell geschafft hätten.
    Trotzdem, man musste auf der Hut sein. Vom Richter konnte man nicht viel Gnade erwarten, wenn man erwischt wurde, wie man unter dem Old Bailey mit ein paar feinen Pinkeln zusammengestoßen war. Es wäre die Strafe durchaus wert, hatte Joe kichernd gemeint, und sei es auch nur, um einmal zu erleben, was für ein Gesicht diese Stutzer machten, wenn sie beide wie Gespenster aus der Dunkelheit auftauchten. Tom hatte nicht gelacht. Joe wusste nicht, wovon er sprach. Er hatte noch nicht gesessen. Tom schon. Und er hatte kein Verlangen danach, das noch einmal zu erleben.
    Über Toms Kopf scharrte die Tür ein wenig über den morastigen Boden. Tom pfiff leise, und als Antwort kam ein Echo zurück, gefolgt von dem Poltern der Stiefel auf der Treppe.
    »Na also«, murmelte Joe und hob die Laterne in Kopfhöhe. Das plötzlich aufscheinende Licht ließ die beiden Büschel seines Backenbarts leuchten, als stünden sie in Flammen. Es war Tradition, einem Kanaljäger einen Spitznamen zu geben, so wollte es der Brauch. Manche der Bezeichnungen waren zwar erklärungsbedürftig, aber bei Joe begriff man sofort, weshalb sie ihn den Roten nannten. Wenn er seinen Hut absetzte, was beileibe nicht oft vorkam, sprang sein Haar in einer wahren Explosion von Rotbraun auf. Stellte man sich das Leben als ein Seil vor, so musste man zugeben, dass sich Joe, genau wie Tom, bereits beträchtlich näher am Seilende befand als am Anfang, aber dennoch hatte er nur eine einzige weiße Strähne, die das leuchtende Rot auf seinem Kopf ein wenig dämpfte. Kein Ruß, kein Schmutz, nicht einmal der verdreckteste Kanal schaffte es, dieses Feuer zu löschen. Sein Haar mochte steif und verfilzt sein, aber sobald es auch nur den leisesten Lichtstrahl einfing, glomm es wie ein Kohlenbecken, so dass man fast versucht war, sich die Hände daran zu wärmen. Über seinen blassen Augen wucherten die Brauen daumendick wie flammend rote Raupen, und unter den schimmernden Härchen auf seinen Armen war die Haut mit kupferfarbenen Sommersprossen übersät. Draußen auf den Hauptstraßen funkelte das Messing an den großen Häusern, das Geschirr der Pferde, das Gaslicht in den Auslagen der Geschäfte und das Sonnenlicht, das sich an den polierten Scheiben brach, aber hier inmitten der Mietskasernen schimmerte nichts so prächtig wie Joe. Neben ihm, überlegte Tom, sah er selbst aus wie einer, der gerade aus einem Haufen Staub und Asche gekrochen war.
    »Ziehen wir los?«
    Tom nickte. Joe überragte ihn fast um einen Kopf, und während

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