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Der Vermesser (German Edition)

Der Vermesser (German Edition)

Titel: Der Vermesser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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Blick seines Sohnes versetzte William in ängstliche Beklemmung, und er kniff die Augen fest zusammen.
    »Polly!«, rief er noch einmal, diesmal drängender.
    Ohne die Augen zu öffnen, hörte er, wie Polly dem Kleinen etwas zumurmelte, und ihre Röcke raschelten, als sie auf sein Bett zukam. Ihre Schritte waren schwer, und sie atmete angestrengt. Als sie seine Stirn berührte, zuckte er zusammen.
    »William? Bist du … bist du wach?«
    William öffnete den Mund, doch schwindelig vor namenloser Angst, vermochte er nicht zu sprechen. Er nickte stumm, die Augen immer noch fest geschlossen.
    »Wasser. Trink doch einen Schluck Wasser.«
    Ihre Hand hob seinen Kopf, bis seine Lippen den Rand einer Tasse berührten. Er trank ein wenig, verschluckte sich und musste husten. Polly griff nach seiner schlaffen Hand und drückte einen Kuss darauf.
    »Ach, Liebster! Wie bin ich … aber das Fieber ist fast weg. Alles ist gut. Es wird schon wieder werden.« Polly gab sich fröhlich, doch in ihrer Stimme lag etwas Schrilles, das William in der Brust schmerzte. »Und du musst essen, damit du wieder zu Kräften kommst. Vielleicht ein paar Löffel Suppe? Etwas Käse?« William schüttelte den Kopf. Behutsam legte Polly seine Hand zurück auf die Bettdecke. »Dann vielleicht später. Ach Di, mein Engelchen, alles wird gut werden! Aber jetzt ab mit dir. Dein Papa ist sehr erschöpft. Wir müssen ihn schlafen lassen.«
    William öffnete die Augen erst wieder, als er die beiden in der Küche hörte. Wie immer war der kleine William die letzten drei Stufen mit einem Satz hinuntergesprungen, sooft Polly ihn deswegen auch schon gescholten hatte. Das wackelige Treppengeländer schepperte, dann war alles still. Er wollte allein sein, sich im Schlaf verlieren. Im Wachen quälte sich sein Geist mit Fragen, und die Antworten streiften ihn wie böse Geister, so dass ihm der kalte Schweiß ausbrach. Aber es gab doch Gewissheiten, wies er sich zurecht. Unumstößliche Gewissheiten. Er war in Lambeth. Der Krieg war vorbei. Er konnte also unmöglich durch gefrorene Schützengräben gestolpert sein, auch wenn ihm die Schreckensbilder noch lebhaft vor Augen standen. Es waren nur Träume, wüste Fieberfantasien. Er hatte eine Frau, einen Sohn, eine bescheidene, aber achtbare Stellung in der städtischen Behörde für öffentliche Bauvorhaben. Er war Inspekteur der Abwasserkanäle. Die Abwasserkanäle. Das Wort legte sich lähmend auf seine Brust und beschwor Erinnerungsfetzen herauf: die steigende Flut, das Gewicht der durchweichten Hose, das ihn nach unten zog, die Umrisse des Messers in seiner Hand, die fallenden Körper von Soldaten …
    Reflexartig tastete er mit der Hand nach seinem Arm. Ein pochender Schmerz, den er bisher nicht bemerkt hatte. Unter dem Ärmel seines Nachthemds verlief vom Handgelenk bis zum Ellbogen ein dicker Verband. Williams Finger erstarrten. Er zögerte. Am besten ließ er die Bandage an Ort und Stelle, denn wenn die Wunden noch offen waren, bestand die Gefahr einer Infektion. Doch vielleicht hatte er nur ein paar Kratzer. Wäre es nicht aufschlussreich, wenn es nur Kratzer wären? Die Möglichkeit bestand immerhin.
    Mit einem heftigen Ruck riss William den Verband herunter. Die frischen Wunden waren mit schwarzem Schorf bedeckt, dazwischen leuchtende Perlen frischen Bluts, wo der Schorf durch die hastige Bewegung aufgerissen war. Die ohnehin von glänzenden Narben übersäte Haut hatte sich zusammengezogen. Die Schnitte waren so dicht verschorft, dass William das verblassende Rosa des Buchstabens »W« darunter kaum erkennen konnte. Einer der Schnitte war besonders tief und verlief um den ganzen Arm herum, gleichsam als hätte sich die Klinge auf makelloser Haut abwischen wollen. Zwischen den klaffenden Wunden waren etwa zwölf kleinere Schnitte zu sehen, dicht gedrängt und jeweils etwa zwei Zentimeter lang. Sie heilten schlecht. Die Ränder waren geschwollen und gelb von nässendem Eiter. William zuckte vor Schmerz zusammen, als er mit den Fingern behutsam darüberstrich. Es waren tiefe, sehr tiefe Wunden. Ein flach an den Arm gehaltenes Messer konnte einen Schnitt dieser Art nicht verursachen. Man musste schon das Messer in die Faust nehmen und mit der Spitze ins Fleisch stoßen, wieder und immer wieder …
    William erbrach sich auf den Fußboden, so dass sich Spritzer in dem Rohrgeflecht des Nähkorbs verfingen. In seinem Magen war nur ein Schluck Wasser, aber er würgte und würgte. Sein Unterleib krampfte sich

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