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Der Vermesser (German Edition)

Der Vermesser (German Edition)

Titel: Der Vermesser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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Bank ab. Der Kopf sackte William auf die Brust, und die Beine hingen ihm schlaff herunter, aber er blieb halbwegs aufrecht sitzen.
    »Na dann los«, meinte der Hüne, der es plötzlich ebenso eilig hatte weiterzukommen wie sein Freund, und schon waren beide in der Dunkelheit verschwunden.
    William blieb in der Thames Street zurück, von Kälte und Fieber geschüttelt, und obwohl er gelegentlich die Augen aufschlug, erkannte sein leerer Blick nicht, wo er sich befand. In seinem rastlosen Delirium wähnte sich William wieder in Balaklawa und bettelte inständig um einen Tropfen Wasser, während das Maultier, auf das man ihn gelegt hatte, durch den gefrorenen Schlamm Richtung Hafen trottete, zu dem Schiff, das ihn nach Skutari bringen würde. Es war stockdunkel, es schneite, und bei jeder Erschütterung durchzuckten ihn tausend atemlose Schmerzstöße. Von überall hörte man das verzweifelte Flehen der anderen Verwundeten. Dieses Wimmern umhüllte ihn wie dicke Schneeflocken, drang ihm in die Ohren und kroch unter seinen zerlumpten Rock. Doch die türkischen Träger schienen wie taub. Sie rauchten und scherzten lautstark miteinander in ihrer unverständlichen Sprache. Ihre dunklen Gesichter verschwammen ihm vor den Augen, ihr schmutziges Lachen war warm vom heraussickernden Blut der Soldaten. Als schließlich sein Maultier stürzte und William zu Boden fiel, setzte ihn jemand wie eine Puppe aufrecht in den Schnee. Der Türke war riesig, groß wie zwei Männer. Er beugte sich über William, als taxierte er seinen Wert, die schwarzen Hände erhoben. Sein schlaffer Mund stand offen, die Augen unter der Hutkrempe rot vor Gier. William zuckte zurück. Matt dachte er daran, um Hilfe zu rufen, aber die ganze Welt war irgendwie entschwunden, und der Lärm des Hafens presste sich ihm wie eine Faust auf den Hinterkopf. Ansonsten herrschte Stille in seinem leeren Schädel, unterbrochen nur durch das Ächzen des eisigen Windes, der dicke Schneeflocken durch die Ödnis trieb. Hier war nichts. Hier würde er erfrieren, und wenn später wieder jemand an diese Stelle kam, würde nichts mehr da sein. Selbst seine Knochen würden vom Nichts zermalmt, bis sie selbst ein Nichts wären. Hier, am Rande allen Seins, gab es keinen Gott. Und auch keinen Teufel. Es gab nur das Vergessen. Man konnte sich abwenden, wenn man die Kraft dazu hatte. Man konnte sich zum Lärm und zum pulsierenden Licht durchkämpfen, mit Bajonett und bloßen Fäusten gegen Qual und Leid anrennen, bis es einen verschlang. Oder man konnte sich in der Schwärze niederlegen und sich dem Wind überlassen, dessen eisiger Atem den Schmerz und das Fieber und den unerträglichen Durst lindern würde. Man musste nur loslassen.
    »Wer sind Sie?«, fragte ihn die Dunkelheit keineswegs unfreundlich und umfasste sanft sein Gesicht mit ihren frostigen Fingern. »Haben Sie eine Frau? Wird sie sich nicht Sorgen machen, wo Sie bleiben?«
    William dachte an Polly, an ihre weichen, kastanienbraunen Locken und an das Muttermal auf ihrem Nacken, das aussah wie ein Spritzer Schokolade, und der Schmerz bohrte sich ihm zwischen die Rippen. Er wandte den Kopf, damit das Ächzen des Windes seine Ohren füllte. Er wollte nichts mehr hören. Es existierte kein Mann mit dem Namen William May mehr. Hatte es ihn überhaupt jemals gegeben? Für einen kurzen Augenblick war in der kalten Dunkelheit fiebrige Hitze aufgeflammt. Und jetzt würde er, der nichts war, ins Nichts zurückkehren. Es war vorbei. Die Dunkelheit schwappte über ihm zusammen wie Wasser.
     
    William wurde geblendet von dem grellen Licht. Er zuckte zurück, kniff die Augen zusammen und wandte den Kopf ab. Eine Bewegung, die in seinem Hinterkopf eine Granate aus Schmerz explodieren ließ. Er hatte Schüttelfrost, doch seine Stirn war siedend heiß. Er lag auf dem Rücken, die Arme auf merkwürdige Weise an den Körper gezwängt, so dass die Hände neben seinen Oberschenkeln zuckten wie gestrandete Fische. Die Helligkeit drückte ihm gegen die geschlossenen Lider und überschwemmte sie mit einer heimtückischen Röte. Beine, Hals und Zähne taten ihm weh, und als er versuchte, zu schlucken und Speichel in die ausgetrocknete Kehle zu pressen, blieb ihm die Zunge am Gaumen kleben.
    »Wasser«, murmelte er, an den Türken gewandt. »Wasser, bitte.«
    Dann plötzlich strich ihm etwas Warmes, angenehmes Kühles über die Stirn, umfasste seinen Kopf und hob ihn an. Eine Tasse wurde ihm an die Lippen gehalten. William trank. Als er

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