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Der Vermesser (German Edition)

Der Vermesser (German Edition)

Titel: Der Vermesser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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kurzen Stößen, hechelnd wie ein Hund. Er musste es nur noch bis zur Küche schaffen. In der Küche gab es Messer, die Klingen kühl und silbrig glitzernd wie Wasser. Er stieß die Tür auf, seine Finger glitten über das knorrige Kiefernholz, sein wilder Blick wanderte zur Anrichte und suchte ein Messer, irgendein Messer. Die Anrichte hatte eine Glastür, er konnte sie zerschlagen, wenn es sein musste. Oder vielleicht fand er einen Teller, eine Schüssel mit abgeschlagenem Rand. Etwas Scharfkantiges, irgendetwas Scharfkantiges. Auf dem sauber gewischten Tisch funkelte ein Hackmesser. Ein Hackmesser! Er kroch darauf zu, hievte sich mit dem gesunden Arm hoch und streckte sich, bis seine Finger die kühle, glatte Klinge ertastet hatten. Da war es, das Vorgefühl der Ekstase, der gleißende Nadelstich reinen Lichts. Triumphierend griff er nach dem schweren Messer und hob es hoch. Mit aller Kraft hielt er es fest umklammert, während er am Tischbein wieder zu Boden glitt und die Lippen an die Klinge drückte. Sein Atem hinterließ einen flüchtigen Hauch auf dem kalten Metall. Dann senkte er es mit behutsamer Präzision und schnitt sich in den nackten Oberschenkel.
    »O mein Gott!«
    Polly stand in der Tür, die Hände auf dem Mund, während die hölzernen Wäscheklammern aus ihrer hochgebundenen Schürze klappernd zu Boden fielen. Ihre Augen waren vor Schreck weit aufgerissen. Vor ihr saß William, den Kopf an ein Tischbein gelehnt, in einer Blutlache am Boden, das zerrissene Nachthemd bis zur Hüfte hochgeschoben. Über seinen gespenstisch weißen Oberschenkel zog sich eine klaffende Wunde. Das Blut begann zu gerinnen, nur eine klebrige Spur lief noch traumverloren über die Wölbung des Schenkels auf den weichen Kringel seines entblößten Penis. Der aufgerissene Verband an seinem Arm legte die geschundene Haut frei, die entrollte Innenseite der Bandage war übersät mit dunklen Flecken und frischen purpurroten Spritzern. Wo die Haut nicht vernarbt oder mit Schorf überzogen war, hatte sich von dem zu fest gewickelten Verband ein zopfartiges Muster aus feinen rosa Linien gebildet. Die Arme hingen ihm schlaff herab, und in der Rechten hielt er noch immer das Hackmesser. An der blutigen Klinge klebte eine blonde Haarsträhne. Er hatte die Augen geschlossen und den Mund geöffnet, doch sein Gesicht erstrahlte engelsgleich in überirdischer Verzückung.
    Ihr stockte das Blut in den Adern. Der Zorn ließ sie kreidebleich werden und erstarren, dass jedes Gefühl in ihr erlosch.
    »Steh auf!«, herrschte sie ihn an. »Steh sofort auf!«
    Sie packte ihn grob an seinem verletzten Arm und trat ihm mit dem Schuh heftig in die Seite. William stöhnte auf vor Schmerz, fiel nach hinten und schlug dabei mit der Schulter gegen den Tisch.
    »Steh auf!«
    Sie versetzte ihm einen weiteren, noch festeren Fußtritt. Aus der Wunde an seinem Bein sickerte frisches Blut. William schlug die Augen auf und blinzelte sie verwirrt an, versuchte sich zu erinnern, wer sie war. Verschwommen spürte er zwar, dass um ihn herum Aufregung herrschte und jemand schrie, aber es berührte ihn nicht. Er ruhte vollkommen in sich selbst.
    Polly riss ihm das Hackmesser aus der Hand.
    »Willst du, dass dein Sohn dich so sieht?«, kreischte sie und fuchtelte mit dem Messer vor seinem Gesicht. »Willst du das?«
    Sie packte ihn am Kragen seines Nachthemds und schüttelte ihn, so dass sein Kopf hin und her schlug. William nahm kaum Notiz davon. Aber durch die abrupte Bewegung löste sich etwas in seinem Kopf, und plötzlich stand ihm klar und deutlich ein Mann vor Augen. Sein tief in die Stirn gezogener Hut machte ihn zwar unkenntlich, doch sein Gesicht war weiß, und seine Augen funkelten im Widerschein seiner Laterne. In der Hand hielt er ein Messer.
    »Da war noch jemand«, sagte William plötzlich. »In den Tunneln. Ich hab ihn gesehen.«
    Polly schnitt eine verzweifelte Grimasse und ließ ohnmächtig die Arme sinken. »Komm hier raus!«, sagte sie flehentlich, die Stimme dünn vor Verzweiflung. Tränen strömten ihr über die bleichen Wangen.
    »Es war nur ein kurzer Moment. Aber ich hab ihn genau gesehen!«
    »William, hör mir zu, ich flehe dich an!«
    William schloss die Augen und lauschte. Intensiver jetzt und scharf umrissen irrlichterten Sprenkel der Erinnerung an jene verschollene Nacht durch seinen Geist wie sonntägliches Glockengeläut. Sie fügten sich zu einer Melodie und waren doch klar und deutlich voneinander unterschieden. Das Scheuern von

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