Der Verräter von Westminster
aufzustöbern. Ich hoffe, auf diese Weise beweisen zu können, dass er dahintersteckt, und meinen Namen reinzuwaschen. Ich werde dafür sorgen, dass Croxdale alles zurücknimmt, was er gesagt hat. Jedenfalls hoffe ich, dass ich das schaffe.«
Sie stand ebenfalls auf. »Gibt es jemanden, dem Sie vertrauen und der Ihnen helfen kann?«
»Nein.« Nur dies eine schlichte Wort. Seine Einsamkeit ließ sich förmlich mit Händen greifen. Dann war es vorüber, als sei ihm Selbstmitleid widerwärtig. »Nicht hier«, fügte er hinzu. »Aber vielleicht finde ich in Irland jemanden.«
Ihr war klar, dass er die Unwahrheit sagte, um zu vertuschen, was ihm herausgerutscht war.
»Ich komme mit«, sagte sie spontan. »Mir können Sie vertrauen, weil wir dieselben Interessen verfolgen.«
Seine Stimme klang vor Verblüffung angespannt, als wage er nicht, ihr zu glauben. »Meinen Sie?«
»Selbstverständlich«, sagte sie und hielt ihre Antwort für vielleicht überstürzt, obwohl sie zugleich sicher wusste, dass es sich so verhielt. »Außer Ihnen hat Thomas im Sicherheitsdienst keinen Freund. Das Überleben meiner Familie könnte davon abhängen, dass Sie imstande sind, Ihre Schuldlosigkeit zu beweisen.«
Auch ihm stieg eine heiße Röte in die Wangen, die aber unter Umständen auf das erneut aufgeflammte Feuer im Kamin zurückging. »Und was könnten Sie tun?«, fragte er.
»Mich umsehen und umhören, Leute fragen, Orte aufsuchen, an denen gesehen zu werden Sie nicht riskieren dürfen, weil man Sie erkennen könnte. Ich bin eine ziemlich gute Kriminalistin – jedenfalls war ich das, als Thomas noch bei der Polizei gearbeitet hat und seine Fälle keiner so strengen Geheimhaltung unterlagen. Zumindest dürfte ich sehr viel besser sein als nichts.«
Er schlug die Augen nieder und wandte sich ab. »Ich könnte das unmöglich zulassen.«
»Ich habe Sie nicht um Ihre Erlaubnis gebeten«, gab sie zurück. »Aber natürlich wäre es deutlich angenehmer, Ihr Einverständnis zu haben«, fügte sie hinzu.
Er gab keine Antwort. Es war das erste Mal, dass sie ihn so unsicher sah. Sogar als sie vor längerer Zeit entsetzt bemerkt hatte, dass er sie anziehend fand, hatte zwischen ihnen stets eine gewisse Distanz bestanden. Er war Pitts Vorgesetzter, klug, hart und allem Anschein nach unverwundbar: ein Mann, der jederzeit Herr der Situation war und so manches wusste, wovon andere nichts ahnten. Jetzt wirkte er unentschlossen, verletzlich, und er beherrschte die Situation ebenso wenig wie sie.
»Sie und ich haben ein und dasselbe Ziel«, begann sie. »Wir müssen feststellen, wer hinter dieser Intrige steht, und ihr ein Ende bereiten. Es geht um unser beider Überleben. Sofern Sie annehmen sollten, dass ich nicht kämpfen kann oder werde, weil ich eine Frau bin, sind Sie weniger klug, als ich gedacht hätte, und das kann ich mir offen gestanden nicht vorstellen. Vermutlich haben Sie einen anderen Grund. Entweder ist Ihnen Ihr Stolz wichtiger als Ihr Überleben, oder Sie haben Angst, ich könnte etwas entdecken, irgendeine Unwahrheit, die nicht ans Licht kommen soll. Was mich betrifft, ist mir das Überleben wichtiger als mein Stolz.« Sie holte tief Luft. »Und für den Fall, dass ich Ihnen behilflich sein könnte, würden Sie mir nichts schulden, weder moralisch noch sonstwie. Mir ist wichtig, was mit Ihnen geschieht. Ich würde es nicht gern sehen, wenn man Sie zugrunde richtete, denn Sie haben meinem Mann unter die Arme gegriffen, als er dringend darauf angewiesen war. Weit wichtiger aber ist im Augenblick, dass ich mitkommen will, um meine Familie zu retten.«
»Jedes Mal, wenn ich glaube, etwas über Sie zu wissen, überraschen Sie mich«, bemerkte er. »Nur gut, dass Sie nicht mehr der feinen Gesellschaft angehören – die würde Sie nie überleben. Deren Angehörige sind eine so unverblümte Offenheit nicht gewöhnt und würden gar nicht wissen, was sie mit Ihnen anfangen sollten.«
»Um die brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Wenn es nicht anders geht, kann ich ebenso gut heucheln wie andere auch«, gab sie zurück. »Ich begleite Sie nach Irland. Sie müssen der Sache an Ort und Stelle nachgehen und können das nicht allein, weil zu viele Menschen dort Sie bereits kennen. Sie haben es selbst gesagt. Aber ich brauche einen guten Vorwand, um eine gemeinsame Reise mit Ihnen zu rechtfertigen, weil wir sonst einen noch größeren Skandal heraufbeschwören würden. Darf ich für diese Unternehmung Ihre Schwester
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