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Der Verräter von Westminster

Der Verräter von Westminster

Titel: Der Verräter von Westminster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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dafür gesorgt hatte, die Herkunft des Geldes zu verschleiern, ist es mir jetzt unmöglich, genau festzustellen, was damit geschehen ist«, fuhr er fort. »Für Außenstehende sieht es auf den ersten Blick so aus, als hätte ich es selbst an mich genommen.«
    Er beobachtete sie unter gesenkten Lidern. Sie sah, dass flüchtig ein Ausdruck von Besorgnis in seine Augen trat und gleich wieder verschwand. Sie bemühte sich, ein möglichst neutrales Gesicht zu machen. Sie wusste nicht, was sie von ihm denken sollte, konnte sich aber um Pitts willen keine Zweifel erlauben.
    »Sie haben Feinde«, sagte sie.
    Er entspannte sich kaum wahrnehmbar. Genau genommen sah man es lediglich an der leichten Veränderung in der Art, wie sich der Stoff seines Jacketts an den Schultern spannte. Er war nicht besonders groß oder breitschultrig, ein durchschnittlich großer schlanker, drahtiger Mann. Sie sah, dass seine Hände, die auf den Knien lagen, schön waren. Das war ihr früher nie aufgefallen.
    »Ja«, erwiderte er. »So ist es. Zweifellos sogar eine ganze Reihe. Ich hatte geglaubt, hinreichende Vorkehrungen dagegen getroffen zu haben, dass sie mir schaden könnten. Dabei scheine ich etwas Wichtiges übersehen zu haben.«

    »Oder es handelt sich um jemanden, den Sie nicht verdächtigt hatten«, ergänzte sie.
    »Auch das ist möglich«, stimmte er zu. »Ich halte es aber für wahrscheinlicher, dass ein alter Feind eine Machtfülle gewonnen hat, die ich nicht vorausgesehen habe.«
    »Denken Sie an einen Bestimmten?« Sie beugte sich leicht vor. Die Frage war zwar indiskret, aber sie musste es wissen. Pitt befand sich in Frankreich und war darauf angewiesen, dass man ihm den Rücken freihielt. Bestimmt ahnte er nichts davon, dass sein Vorgesetzter nicht mehr im Amt war.
    »Ja.« Die Antwort schien ihm schwerzufallen.
    Sie wartete wieder.
    Er beugte sich vor und legte ein großes Holzscheit auf das Feuer. »Der Fall reicht zwanzig Jahre in die Vergangenheit zurück. « Seine Stimme klang rau, und er musste sich räuspern, bevor er fortfahren konnte. »Die Leute, die damit zu tun hatten, sind inzwischen alle tot, bis auf einen.«
    Sie hatte keine Vorstellung, wovon er sprach, doch schien die Vergangenheit sie eingeholt zu haben.
    »Einer lebt also noch?«, fasste sie nach. »Wissen Sie das, oder ist das lediglich eine Vermutung?«
    »Ich weiß, dass Kate und Sean tot sind«, sagte er so leise, dass es sie Mühe kostete, die Worte zu hören. »Ich nehme an, dass Cormac noch lebt. Er dürfte nicht einmal sechzig sein.«
    »Aber warum hätte er so lange warten sollen?«
    »Das weiß ich nicht«, gab er zu.
    Sie sah ihn aufmerksam an, wie er in Pitts Sessel ihr gegenüber saß. Er fühlte sich sichtlich unbehaglich, machte aber keine Anstalten zu gehen und versuchte auch nicht, sich ihr gegenüber zu verteidigen.
    »Dennoch nehmen Sie an, dass er Sie hinreichend hasst, um Ihren Untergang zu planen und ins Werk zu setzen?«, fuhr sie fort.

    Sie sah seinem Gesicht an, dass sich die Gedanken hinter seiner Stirn jagten, konnte aber nicht erraten, worum es dabei ging.
    »Ja. Ich zweifle nicht im Geringsten daran. Er hat allen Grund dazu.«
    Überrascht und zugleich voll Mitleid begriff sie, dass er sich für etwas schämte, was geschehen war. Zugleich hoffte sie, nie zu erfahren, worum es dabei ging.
    »Was werden Sie unternehmen?«, fragte sie. »Sie müssen kämpfen.«
    Er lächelte. Ihr war klar, dass er annahm, sie mache sich Sorgen, weil er nicht weiterhin seine schützende Hand über Pitt halten könnte. Das stimmte zwar, war aber nicht alles, und das hatte auch nicht den Ausschlag für ihre Äußerung gegeben.
    Sie spürte, wie ihr Gesicht heiß wurde. »Wenn Sie einige Stunden Ihre Wunden geleckt haben, sollten Sie Ihre Kräfte zusammennehmen und überlegen, was Sie tun wollen.«
    Jetzt lächelte er richtig und legte einen natürlichen Humor an den Tag, den sie an ihm noch nicht kannte. »Sprechen Sie so mit Ihren Kindern, wenn sie hingefallen sind und sich die Knie aufgeschürft haben?«, fragte er. »Müssen sie nach einer mitfühlenden Umarmung gleich wieder aufstehen? Ich bin nicht vom Pferd gefallen, sondern in Ungnade, und ich sehe kein Möglichkeit, mich aus dieser Situation zu befreien.«
    Ihr Gesicht war noch röter als zuvor. »Heißt das, Sie haben keine Vorstellung, was Sie tun können?«
    Er stand auf und strich sich das Jackett auf den Schultern glatt. »Doch. Ich werde nach Irland fahren und versuchen, Cormac O’Neil

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