Der Verrat
da sein, und ich rechnete damit, dass er sich sofort auf den Weg machen würde, wenn er meine Nachricht erhalten hatte.
Ich schaute in das Bulletin Board, das ich für Delilah eingerichtet hatte, und fand zu meiner Überraschung eine Nachricht von ihr: Ruf mich an. Und eine Telefonnummer.
Ich wählte sie. Der Anruf könnte nach Osaka zurückverfolgt werden, aber ich würde ohnehin nicht mehr lange in der Stadt bleiben.
»Allô« ,hörte ich sie sagen.
»Hallo«, antwortete ich.
»Hallo. Danke, dass du anrufst.«
»Kein Problem.«
»Ich wollte dir nur sagen, dass es fast geschafft ist. Und dich bitten, noch ein kleines Weilchen länger Geduld zu haben.«
Das war klug. Wahrscheinlich fürchtete sie, ich könnte frustriert sein, wenn ich nichts von ihr hörte, und dann zu dem Schluss kommen, von ihr nur manipuliert worden zu sein, und wieder auf eigene Faust gegen Belghazi vorgehen. Da war es besser, mich ihre Stimme hören zu lassen, als einfach nur eine trockene Textnachricht in den Cyberspace zu schicken.
»Wie lange noch?«
»Ein Tag. Höchstens zwei. Es lohnt sich, du wirst sehen.«
Wieder musste ich kurz über die Fahrstuhlgeschichte im Mandarin Oriental in Macau nachdenken. Die Geschehnisse hinterher und alles, was ich danach herausgefunden hatte, schienen dafür zu sprechen, dass sie nichts mit dem Angriff auf mich zu tun hatte, sondern dass sie mich sogar gewarnt hatte. Ich verstand nur nicht warum. Aus ihrer Perspektive betrachtet, musste diese Warnung für ihre Operation kontraproduktiv sein.
Solche Unerklärlichkeiten hasste ich. Aber ich kam einfach nicht dahinter. Ich würde später darüber nachdenken.
»Okay«, sagte ich.
»Danke.«
»Kann ich dich unter dieser Nummer erreichen?«
»Nein. Ab jetzt nicht mehr.«
Ich schwieg kurz, sagte dann: »Also gut. Viel Glück.«
»Dir auch.« Sie legte auf.
Knapp vier Stunden später saßen Kanezaki und ich im Ashoka, einem indischen Restaurant in der unterirdischen Umeda-Einkaufsmeile, das ich während meiner Zeit in Osaka lieben gelernt hatte. Zuvor hatte ich die üblichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen, und es waren keine Schwierigkeiten aufgetaucht.
»Sie hatten Recht«, sagte ich über Tandoori Murgh und Keema Nan und Panjabi Lassi auf unserem Tisch hinweg. »Auf eurer Seite gab es eine undichte Stelle. Crawley.«
»Woher wissen Sie das?«
Die Frage war geradeheraus, und ich witterte keine Anzeichen von Argwohn dahinter. Anscheinend hatte er noch nicht von Crawleys kürzlichem Ableben gehört. Wenn er es tat, würde er seine eigenen Schlüsse ziehen. Ich hielt es nicht für vorteilhaft, wenn er es von mir erfuhr.
»Eure Nahostabteilung hat eine Verbindung zu Belghazi«, sagte ich. »Belghazi liefert ihnen Informationen über die Geschäfte anderer Leute, vor allem auf dem Markt für Massenvernichtungswaffen, und im Gegenzug schützen sie ihn auf vielerlei Weise, unter anderem auch mit der Beaufsichtigung des Frachtumschlags in Hongkong.«
»Ach du Schande, wie zum Teufel haben Sie das rausgekriegt?«
Ich zuckte die Achseln. »Wollen Sie behaupten, Sie wussten das nicht?«
»Seit unserem letzten Gespräch hab ich ein paar Dinge herausgefunden«, sagte er und sah mich an. »Aber ich als Insider habe Möglichkeiten, die Sie nicht haben. Deshalb frage ich.«
Ich lächelte. »Fragen Sie nicht, wie. Das ist mein Betriebsgeheimnis. Wichtig ist, was – und wer.«
»Wer –«
»Es gibt einen NOC der CIA, der in Hongkong stationiert ist. Ehemals Nahostabteilung, arbeitet für das Counter Terrorism Center. Er ist die Verbindung zwischen Belghazi und Crawley.«
Ich beobachtete ihn genau, wartete auf eine Reaktion. Es kam aber keine.
»Wissen Sie was über diesen NOC?«, fragte ich.
Er nickte. »Natürlich.«
»Also gut. Ich vermute, dass dieser Mann einer der Gründe ist, warum Belghazi sich in Macau so gut amüsiert. Belghazi macht seine Geschäfte gern in Hongkong, wo die CIA bei Schwierigkeiten behilflich sein kann. Und Macau liegt gleich nebenan.«
»Sie meinen, es geht gar nicht ums Glücksspiel?«
Ich zuckte die Achseln. »Bestimmt ist er ein leidenschaftlicher Glücksspieler. Aber er weiß auch, dass Analysten sich auf solche Dinge wie Glücksspiel konzentrieren, wenn sie ein Profil erstellen. Er weiß, wenn er in Macau auftaucht, werden seine Profiler einfach sagen: ›Ha, er will in die Kasinos‹, ohne weiter nachzuforschen. Er nutzt eure Kenntnisse über seine Gewohnheiten aus, um seine wahren Absichten zu verschleiern.
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