Der Verrat
Er füttert euch genau mit dem, was er euch geben will, weil er weiß, dass ihr den Geschmack schon auf der Zunge habt.«
Wir schwiegen eine Weile, und Kanezaki trommelte die ganze Zeit über mit den Fingern auf dem Tisch, ohne sein Essen zu beachten. Dann sagte er: »Sie haben Recht.«
»Ich weiß.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich will damit sagen, bei unserem letzten Treffen, als Sie angedeutet haben, dass Macau für Belghazi vielleicht gar nicht der Nebenschauplatz ist, sondern die Hauptsache, da bin ich ins Grübeln gekommen. Ich hab Erkundigungen eingezogen. Also, ich hab Ihnen ja gesagt, dass wir Belghazis Satellitentelefon abhören. Seine Geräte nutzen ein sogenanntes Low-Earth-Orbit- Netzwerk. Diese LEO-Netzwerke sind benutzerfreundlich, weil der Empfang klar ist und die Nähe der Satelliten zur Erde eine geringere Signalverzögerung mit sich bringt, aber die Netzwerke sind nicht so sicher wie andere.«
»Weil mehrere Satelliten das Signal empfangen?«
»Genau. Deshalb kann man immer triangulieren und so die Position bestimmen. Eigentlich soll das nicht möglich sein, weil die Signale digitalisiert und verschlüsselt sind – das ist so, als würde man sagen, na gut, du weißt, irgendwo in dem Heuhaufen ist eine Nadel, aber das heißt noch lange nicht, dass du die Nadel auch finden kannst. Aber, glauben Sie mir, wenn Sie so ein Telefon-Netzwerk benutzen, dann können wir Sie finden.«
Ich dachte einen Moment nach. »Sie haben ›Geräte‹ gesagt. Hat Belghazi in letzter Zeit das Telefon gewechselt?«
»Ja, hat er.«
»Hab ich mir gedacht. Wahrscheinlich hat er erkannt, dass er über das Satellitentelefon bis nach Macau verfolgt worden ist. Was kann der NOC ihm gesagt haben?«
»Wahrscheinlich, dass er sich ein neues Telefon zulegen soll.«
»Aber ihr habt ihn trotzdem verfolgen können?«
Er lächelte. »Allerdings.«
»Wie?«
Er schüttelte den Kopf. »Das fällt leider unter die Rubrik Betriebsgeheimnis.«
»Habt ihr etwa die NSA mithören und eine digitale Stimmenanalyse machen lassen?«
Er schüttelte erneut den Kopf. Na schön, Genaueres würde ich nicht erfahren. »Halten Sie mich noch immer für paranoid, weil ich kein Handy benutze?«, fragte ich.
Er lächelte. »Vielleicht nicht. Wie dem auch sei, ich hab die Koordinaten sämtlicher Orte in Asien aufgezeichnet, an denen Belghazis Telefon in den letzten zwei Jahren geortet wurde. Das Ergebnis ist eine wahllose Ansammlung von Punkten. Mit einer Ausnahme.«
»Ja?«
»Im letzten Jahr war Belghazi dreimal in Kwai Chung in Hongkong.«
»Der Containerhafen?«
»Ja. Immer am Containerterminal Neun, das neue auf der Insel Tsing Li. Er hat von drinnen angerufen. Immer zwischen zwei und vier Uhr morgens.«
»Wie kommt er da rein?«, dachte ich laut. »Das ist doch bestimmt eine gut gesicherte Anlage.«
»Dasselbe hab ich mich auch gefragt. Ich hab mir gedacht, dass er da vielleicht einen Komplizen hat. Einen bestochenen Zollbeamten, einen Nachtwächter, so was in der Art. Deshalb auch immer dasselbe Terminal. Ich hab mich ein bisschen schlau gemacht. Und was Interessantes herausgefunden.«
»Ja?«
»Es gibt da einen Zwischenagenten. Hongkongchinese, lebt in den New Territories, arbeitet in Kwai Chung. Wurde im Juli 2003 nach Terminal Neun versetzt, als das in Betrieb genommen wurde. Belghazis erster Besuch dort war im August desselben Jahres.«
»Welcher Officer hat ihn angeworben?«
Er sah mich an. »Der NOC.«
Ich überlegte kurz. Dox konnte ich mir in dieser Rolle nicht vorstellen. Er war ein Scharfschütze, kein Anwerber. Aber ganz sicher war ich mir nicht.
»Der NOC hält also Kontakt zu dem Hafenmitarbeiter«, sagte ich. »Er erzählt Belghazi davon. ›He, du kannst über Hongkong verschiffen, ich hab da Kontakte vor Ort, die dafür sorgen werden, dass alles glatt läuft.‹ Ein kleiner Service von ihrem freundlichen CIA-Officer von nebenan, im Austausch für Informationen über Vorläufer von Massenvernichtungswaffen oder was auch immer.«
Er nickte. »Könnte stimmen.«
»Was, meinen Sie, macht dieser Hafentyp genau?«
»Da bin ich mir nicht ganz sicher. Aber ich hab mich ausführlich mit Containerverschiffung befasst, und ich vermute, dass er den fraglichen Personen Zugang verschafft, Belghazi und dem Käufer oder Verkäufer die Ware in einem der Container zeigt und sich dann um die notwendige EDI-Information kümmert, um den wahren Herkunftsort und die Art der Containerfracht zu
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