Der Verrat
Lage sind, sich über die Tatsache zu beschweren, dass ein Killer auf Belghazi angesetzt wurde, dann sind sie vielleicht auch nicht in der Lage, sich zu beschweren, wenn der Auftrag ausgeführt wird.«
Er schaute weg, nickte, rieb sich das Kinn.
Ich sagte: »Ich meine, Sinn und Zweck des ›natürlichen Todes‹ ist es doch, Schuld abstreiten zu können, oder? Glaubwürdiges Leugnen, so was in der Art?«
»Was Sie und ich vereinbart haben, war wohl ein bisschen mehr als nur die Möglichkeit, jede Beteiligung abzustreiten«, sagte er kopfschüttelnd. »Belghazis Tod sollte so erfolgen, dass irgendwelche unangenehmen Fragen gar nicht erst gestellt würden. Es sollte nichts geben, was abgestritten werden müsste.«
»Klar. Aber seit unserem damaligen Gespräch haben wir ja so einiges erfahren, oder? Zum Beispiel, dass Belghazi anscheinend nach Hongkong gekommen ist, um einen seiner Waffentransfers zu beaufsichtigen. Da sind etliche Parteien beteiligt – Käufer, Anbieter, Vermittler, bestochener Hafenmitarbeiter, CIA-Aufseher –, und jede Menge Geld wechselt den Besitzer.«
Er sah mich an, und sein Mund verzog sich langsam zu einem Lächeln. »Ja, stimmt. Jede Menge Leute, jede Menge Geld.«
»Jede Menge Gelegenheit für … Komplikationen.«
Sein Lächeln wurde breiter. »Und für die menschliche Habgier.«
»Genau«, sagte ich. »Was verdient so ein Bodyguard denn im Jahr? Nicht viel, das kann ich Ihnen sagen. Und er ist fast ständig mit Belghazi zusammen, bewacht seine Hotelsuiten und geht dann zurück in sein eigenes kleines Zimmerchen. Das ist doch so, als würde man die Reichen und Schönen mitten aus einem Slum raus beobachten. Er wird zornig, er wird neidisch. Er wird –«
»Er wird gierig. Und derweil erfährt er von Belghazis Plänen – mit wem er sich trifft, wo und wann.«
»Vielleicht sogar … um wie viel es geht?«, sagte ich und zog ein wenig die Stirn kraus.
Er nickte. »Oh ja, das erfährt er vielleicht auch.«
»Er ist der Bodyguard, der Belghazi überallhin begleitet, auch zum Containerterminal Neun in Kwai Chung. Als das Geld den Besitzer wechselt –«
»Schießt er Belghazi nieder, vielleicht noch ein paar andere Leute, schnappt sich die Kohle, haut ab.«
»Sehen Sie? Man kann heutzutage wirklich niemandem mehr trauen, nicht mal den eigenen Bodyguards. Und am Ende sind sowohl der Bodyguard als auch das Geld verschwunden. Es ist ganz offensichtlich, was passiert ist. Da bleibt keine unangenehme Frage offen.«
»Was wird aus dem Bodyguard?«
Ich zuckte die Achseln. »Ich glaube kaum, dass der hinterher gefunden wird. Ich könnte mir vorstellen, dass er einfach … verschwindet.«
»Und das Geld?«
Ich lächelte. »Ich glaube, auch das wird nicht mehr auftauchen.«
Er schüttelte den Kopf. »Sie sind ein durchtriebener Hund.«
»Danke.«
»Das war nicht als Kompliment gemeint.«
»Also? Wenn es so abläuft, wie gerade beschrieben, ist das ›natürlich‹ genug für unsere Zwecke?«
Nach einer Pause sagte er: »So war das nicht vereinbart.«
Ich schloss die Augen einen Moment und merkte, dass ich seines »Das ist ein schwieriges Zugeständnis« -Reflexes ein wenig überdrüssig war.
»Es war auch nicht vereinbart, dass ich von Ihren eigenen Leuten verpfiffen werde«, sagte ich und kam mir vor wie ein Teppichhändler. »Unter den gegebenen Umständen sollte ich Ihnen den doppelten Preis berechnen. Ehrlich gesagt, ich glaube, das tu ich auch.«
»Okay, ich verstehe Ihren Standpunkt.«
»Also dann, einverstanden? Ist das, was ich vorgeschlagen habe, natürlich genug?«
Er schwieg kurz und nickte dann: »Es ist natürlich genug.«
Ich war mir noch immer unsicher, welche Rolle Dox bei der ganzen Sache spielte. Und wer dieser NOC war. Aber ich wusste, dass ich Belghazi nicht mehr allein erledigen konnte. Damit hatte Delilah Recht gehabt. Damit die Sache klappte, brauchte ich Hilfe, und ich hatte sonst niemanden, an den ich mich wenden konnte. Aber ich konnte mich auch nicht einfach aus dem Staub machen. Belghazi hatte zu viele Gründe, mich so lange zu jagen, bis er sicher sein konnte, dass ich endgültig verschwunden war.
Wenn ich Dox in meiner Nähe hatte, konnte ich ihm außerdem auf den Zahn fühlen und würde so vielleicht indirekt eine Antwort auf meine Fragen erhalten. Wenn ich etwas sah, was mir nicht gefiel, konnte ich die Sache immer noch abbrechen, neu nachdenken und mir einen anderen Plan überlegen.
Ich rief ihn auf seinem Handy an. »Hallo«, sagte er,
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