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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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und es tat mir seltsam gut, seine dröhnende Stimme zu hören. Er ist in Ordnung, sagte ich mir, und vielleicht war er das ja auch.
    »Bist du noch in der Nähe?«, fragte ich.
    Eine kurze Pause trat ein, und ich stellte mir sein Grinsen vor. Ich hörte ihn sagen: »Kommt drauf an, was du unter ›Nähe‹ verstehst. Ich bin wieder in der Gegend, wenn du das meinst.«
    »Wie bald könntest du wieder da sein, wo wir uns zuletzt gesehen haben?«
    Wieder eine Pause. »Ich könnte morgen da sein, falls du mich brauchst.«
    »Tu ich. Die gleiche Zeit wie beim letzten Mal?«
    »Also bis dann.«
    Ich legte auf und wischte aus Gewohnheit den Hörer ab. Dann ging ich in ein Internetcafé, um ein bisschen über die Containerverschiffung in Hongkong zu recherchieren.
     
    Am nächsten Morgen stieg ich in eine Maschine nach Hongkong. Dort setzte ich mich in einen Coffeeshop gegenüber dem Restaurant, in dem Dox und ich zuletzt gegessen hatten. Eine Stunde später tauchte er auf, allein. Ich wartete noch zehn Minuten, dann ging ich zu ihm.
    »Ich hätte nicht gedacht, dich so bald wiederzusehen«, sagte er zu mir, als ich mich setzte.
    »Du hast mir gefehlt«, sagte ich.
    Er lachte. »Hast du dich um unseren lieben Mr. Crawley gekümmert?«
    Ich sah ihn an: »Ich hab keine Ahnung, wovon du sprichst.«
    Er lachte erneut. »Schon gut, schon gut, war ja bloß ’ne Frage. Möge er in Frieden ruhen.«
    Eine Kellnerin kam an den Tisch. »Weißt du schon, was du möchtest?«, fragte ich ihn.
    »Bestell mir noch mal diese Raupensuppe.«
    »Freut mich, dass sie dir so gut geschmeckt hat.«
    »Na ja, der Geschmack war auch nicht schlecht, klar. Aber die Nachwirkungen sind das wirklich Erstaunliche. In der Nacht, nachdem wir hier gegessen hatten, hab ich zwei Thai-Damen gezeigt, wie herrlich die Liebe mit Dox ist. Als die Sonne aufging, haben sie praktisch um Gnade gebettelt.«
    »Das kann ich mir vorstellen.«
    Ich bestellte das Essen und sah ihn an. »Wie gut bist du als Scharfschütze?«, fragte ich.
    Er runzelte die Stirn, als hätte ich ihn beleidigt. »Na toll, Partner, mit der Frage hast du jetzt echt meine Gefühle verletzt. Du weißt doch genau, dass die Scharfschützen der Marines die Besten der Welt sind.«
    »Ich meine: Hast du dich in Form gehalten?«
    Er lächelte. »Sagen wir einfach, dass unsere Freunde bei der CIA mich nicht ausschließlich wegen meines Charmes engagiert haben, so unwiderstehlich der auch ist.«
    »Kommst du an ein Gewehr?«
    »Ob ich an ein Gewehr komme? Bei meinem letzten Auftrag wollte ich das neue M-40A3 ausprobieren. Am nächsten Tag hatte ich eins, noch dazu mit einem passenden Nachtzielfernrohr, völlig problemlos.«
    »Hat’s dir gefallen?«
    »Sehr. Es ist ein bisschen schwerer als das M-40A1, aber ich mag die verstellbare Schaftbacke und den Rückstoßdämpfer am Hinterschaft.«
    »Hast du es im Einsatz benutzt?«
    Er lächelte. »Mit einem M118LR-Geschoss, Kaliber 7,62 mm. Hab einen Übeltäter mitten in der Nacht auf vierhundert Meter Entfernung genau ins Auge getroffen. Ich kann dir sagen, wenn ein Scharfschütze diesen rosa Sprühnebel sieht, fühlt er sich wie neugeboren. Obwohl, in diesem Nachtzielfernrohr sah das eher grün als rosa aus.«
    Ich nickte beruhigt. Ich hatte einige von Dox’ Heldentaten in Afghanistan gesehen. Ich wusste, dass er wahrscheinlich seine Leistungsfähigkeit in Bezug auf Frauen übertrieb, aber als Scharfschütze war er wirklich so gut, wie er sagte.
    »Ich bin an einem Auftrag dran, der in der letzten Zeit immer problematischer geworden ist«, sagte ich. »Um ihn zu Ende zu führen brauche ich Hilfe. Falls du interessiert bist, würde ich das Honorar mit dir teilen – zweihunderttausend US-Dollar, hunderttausend für jeden.«
    »Zweihunderttausend? So viel zahlen die dir? Scheiße, die haben mich übers Ohr gehauen. Ich muss mir diesen verdammten Kanezaki vorknöpfen.«
    »Außerdem könnte noch zusätzlich ein stattliches Sümmchen abfallen, aber wie viel das sein wird, erfahren wir wahrscheinlich erst, wenn es so weit ist.«
    »Gut, ich bin interessiert, klar. Erzähl mir mehr.«
    Ich berichtete ihm alles, was er über Belghazi, den NOC und die Verbindung zum Hongkonger Containerhafen wissen musste. Er zeigte keinerlei Reaktion, die auf vorheriges Wissen oder aktive Teilnahme seinerseits hindeutete, aber das allein war noch kein Beweis.
    »Also, zuallererst muss ich mir das Gelände ansehen«, erklärte er. »Du sagst, es gibt nur einen Eingang zu dem

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