Der Verrat
doch ändern mussten. Der einzige Haken war, dass es absolut natürlich aussehen musste.
Es war ungefähr das, was ich erwartet hatte. Verlockend, aber nicht so viel, dass ich versucht gewesen wäre, es später nicht wieder zu tun. Im Grunde kein schlechtes Geschäft für sie – ungefähr so teuer wie ein oder zwei Hellfire und weit günstiger als eine Cruise Missile. Und längst nicht so auffällig.
»Ich werde drüber nachdenken«, sagte ich. »Und während ich nachdenke, zahlen Sie Naomi das Geld, das Sie ihr schulden.«
»Sie hat ihren Teil der Abmachung nicht eingehalten«, sagte er kopfschüttelnd und bestritt gar nicht erst, dass es eine Verbindung gab. »Ihr Pech.«
»Was war denn ihr Teil der Abmachung?«
»Sie sollte Kontakt zu uns aufnehmen, falls Sie Kontakt zu ihr aufnähmen.«
Ich sah ihn an. »Wenn sie keinen Kontakt zu euch aufgenommen hat, wie …«
»Stimmenanalyse. Eine Art Lügendetektor. Haben wir jedes Mal eingesetzt, wenn ich sie angerufen hab. Jedes Mal hab ich gefragt, ob Sie sich gemeldet hätten, und sie hat nein gesagt. Beim letzten Mal hat das Gerät eindeutige Stressmuster registriert.«
»Und da wusstet ihr, dass sie log.«
»Ja. Wir haben sie überwachen lassen. Den Rest kennen Sie.«
Ich wandte den Blick ab und dachte nach. Sie hatte also doch die Wahrheit gesagt – sie hatte mich nicht verraten. Verdammt.
Oder aber sie hatte es doch getan, und Kanezaki wollte sie nur schützen. Es war unmöglich zu sagen, was nun stimmte, und wahrscheinlich würde ich es nie erfahren.
»Bezahlt sie trotzdem«, sagte ich.
Er wollte widersprechen, aber ich schnitt ihm das Wort ab. »Sie hat sie zu mir geführt, wenn auch nur unabsichtlich. Zahlt ihr den Finderlohn aus, verdammt noch mal.«
»Ich will sehen, was sich machen lässt«, sagte er nach einem Moment.
Ich hatte kurz den Verdacht, dass er mir was vorspielte, um mir das Gefühl zu geben, mich durchgesetzt zu haben. Aber auch das konnte ich nur mutmaßen.
»Ich werde mich bei Ihnen melden«, sagte ich. »Falls ihr sie bezahlt habt, reden wir weiter. Wenn nicht, dann nicht.«
Er nickte.
Ich erwog noch einen Nachsatz, dass sie sie in Ruhe lassen sollten, eine Drohung. Aber dadurch hätte ich nur noch deutlicher zu erkennen gegeben, dass sie mir etwas bedeutete, und Naomi für sie noch interessanter gemacht. Besser, ich sagte nichts und hielt mich in Zukunft einfach von ihr fern.
Vielleicht hättest du ihr doch trauen können. Der Gedanke war verlockend. Und traurig.
Egal. Selbst wenn gegenseitiges Vertrauen tatsächlich möglich gewesen wäre, dann hatte ich diese Möglichkeit mit meinen reflexartigen Schlussfolgerungen, meinen Anschuldigungen zerstört.
Ich überlegte, ob ich mich bei ihr entschuldigen sollte. Aber bei manchen Dingen sind Worte wie »Tut mir Leid« oder »Bitte verzeih mir« einfach zu wenig.
Lass gut sein, dachte ich. Die fünfundzwanzig Riesen würden genügen müssen.
»Und jetzt will ich was über Dox hören«, sagte ich.
Er zuckte die Achseln. »Ich brauchte jemanden, den Sie kannten, der Ihnen klar machen konnte, dass das Programm und die Vorzüge des Programms wirklich real sind. Das war der einzige Grund. Ansonsten hätten Sie abgesehen von Ihrer persönlichen Geschichte nie von ihm erfahren.«
»Gibt es noch andere?«
Er sah mich über den Brillenrand hinweg an. Der Blick besagte: Sie wissen genau, dass Sie mich so was nicht fragen können.
Ich erwiderte den Blick.
Nach einem Moment sagte er mit erneutem Achselzucken: »Ich kann nur sagen, Männer wie Sie und Dox sind rar gesät. Und selbst er kann in bestimmten Gegenden nicht arbeiten, wo das für Sie möglich ist. Zum Beispiel Asien. Außerdem sind seine Methoden nicht ganz so subtil, also für manche Aufträge nicht gut geeignet. Okay?«
Wir ließen es dabei bewenden. Er nannte mir eine URL für ein sicheres Bulletin Board. Einige Tage später rief ich ihn auf seinem japanischen Handy an. Er war wieder in Tokio. Er sagte mir, dass Naomi das Geld bekommen hätte.
Ich rief sie von einer Telefonzelle aus im »Scenarium« an. Im Hintergrund war der Lärm des Clubs zu hören. Sie sagte: »Ich wollte das Scheißgeld nicht. Ich hätte es haben können, aber ich wollte es nicht.«
»Naomi …«, setzte ich an. Ich wusste nicht, was ich noch sagen wollte. Aber es spielte auch keine Rolle mehr. Sie hatte schon aufgelegt.
Ich starrte lange auf das Telefon, als hätte mich der Apparat irgendwie im Stich gelassen. Dann legte ich den Hörer auf.
Weitere Kostenlose Bücher