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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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Arpoador Inn, einem preisgünstigen Hotel auf der Rua Francisco Otaviano, also direkt am berühmten Strand von Ipanema.
    »Wie gehen wir vor?«, fragte er.
    »Fahren Sie mit dem Taxi zum Cristo Redentor auf dem Corcovado«, wies ich ihn an. »Von dort aus gehen Sie zu Fuß in südwestlicher Richtung über die Straße durch den Parque Nacional da Tijuca. Ich werde dort zu Ihnen stoßen. Gehen Sie in einer Stunde von der Statue los.«
    »Alles klar.«
    Eine Stunde später hatte ich mich auf einem Fußpfad postiert, etwa einen Kilometer von der Statue entfernt, von wo aus ich die Straße durch den Nationalpark gut im Auge behalten konnte. Kanezaki erschien pünktlich. Ich beobachtete, wie er auf meiner Höhe vorbeilief, wartete noch etwas ab, um mich zu vergewissern, dass er allein war, und nahm dann eine Abkürzung zur Straße hinunter, wo ich ihn von hinten einholte.
    »Kanezaki«, sagte ich.
    Er wirbelte herum, erschrocken, weil ich so dicht hinter ihm war. »Verdammt«, sagte er und wirkte ein wenig verlegen.
    Ich lächelte. Er sah ein bisschen älter aus als bei unserer letzten Begegnung, schlanker, erfahrener. Mit der Nickelbrille wirkte er nicht mehr wie ein Schuljunge. Sie verlieh seinem Gesicht eine gewisse Konzentration. Präzision.
    Der Senderdetektor meldete nichts. Ich tastete Kanezaki ab, nahm sein Handy in Sicherheitsverwahrung und nickte in Richtung des Pfades, von dem ich gerade gekommen war. »Da entlang«, sagte ich.
    Ich führte ihn zu einer Nebenstraße im Park, die wir entlanggingen, bis ein Taxi vorbeikam. Einige ausgeklügelte Gegenaufklärungsmaßnahmen später saßen wir gemütlich in der Confeitaria Colombo, einem 1894 eröffneten Café, das einem die Illusion vermitteln kann, einen Nachmittag in Wien zu verbringen, wären da nicht die tropische Atmosphäre und das angeregte portugiesische Stimmengewirr der anderen Gäste. Ich bestellte auf Englisch einen einfachen Espresso, weil ich nicht wollte, dass Kanezaki mitbekam, wie vertraut ich mich auf diesem Terrain bewegte. Er tat es mir nach.
    »Wir brauchen wieder mal Ihre Hilfe«, erklärte er, sobald die beiden Espressos serviert waren und der Kellner sich entfernt hatte. Er kam direkt zur Sache. Wie Tatsu. Ich wusste, dass die beiden in Verbindung standen und jeder den anderen für einen Informanten hielt, wobei Tatsu mit dieser Ansicht richtiger lag. Ich fragte mich, ob Kanezaki dem älteren und erfahreneren Mann nacheiferte.
    »Wie beim letzten Mal?«, fragte ich und zog die Augenbrauen leicht verächtlich hoch.
    Er zuckte die Achseln. »Sie wissen, ich wusste von der ganzen Geschichte genauso wenig wie Sie. Diesmal ist alles klar und einfach. Und abgesegnet.«
    »Von wem abgesegnet?«
    Er sah mich an. »Von den zuständigen Stellen.«
    »Na schön«, sagte ich und trank einen Schluck aus dem Porzellantässchen. »Schießen Sie los.«
    Er beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf den Tisch. »Nach dem elften September hat der Kongress die CIA von ihren Fesseln befreit. Es herrscht jetzt ein ganz neuer Geist. Wir haben wieder mehr Spielraum, jagen die bösen Jungs.«
    »Die Wenigen, die Stolzen …«, warf ich das Motto des Marine Corps ironisch ein.
    Er zog die Stirn kraus. »Hören Sie, wir können jetzt wirklich was bewegen –«
    »Be All You Can Be …« Ich fing an, den Werbeslogan der Army zu singen.
    Er biss die Zähne zusammen. »Es macht Ihnen wohl Spaß, mich auf die Palme zu bringen«, stellte er fest.
    »Ein bisschen, ja.«
    »Das ist schade.«
    Ich trank wieder einen Schluck Espresso. »Worauf wollen Sie hinaus?«
    »Ich wünschte, Sie würden mir zuhören.«
    »Bis jetzt hab ich nur fünf hohle Phrasen gehört. Ich warte darauf, dass Sie endlich mal was sagen.«
    Er wurde rot, aber dann nickte er und brachte sogar ein kurzes Lachen zustande. Ich musste über seine Selbstbeherrschung schmunzeln. Er war reifer geworden, seit ich ihn das letzte Mal gesehen hatte.
    »Okay«, sagte er. »Sie erinnern sich bestimmt an den Anschlag, bei dem im November 2002 Abu Ali und fünf andere Al-Qaida-Mitglieder im Jemen von einer Hellfire-Rakete getötet wurden. Die war von uns.«
    »Das stand in den Zeitungen«, sagte ich.
    »Ja, aber was nicht in den Zeitungen stand, ist das volle Ausmaß dieser Art von heimlichen Aktivitäten. In der Frage, wer für solche Aktionen zuständig ist, hat die CIA das Tauziehen mit dem Pentagon gewonnen. Das Pentagon hat sich alle Mühe gegeben, aber die können einfach nicht schnell genug auf die

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