Der Verrat
Wischte ihn automatisch ab – und ging.
Ich suchte mir ein Internetcafé und formulierte eine Nachricht. Die Nachricht war kurz und bündig. Die wichtigste Information darin war die Nummer eines Offshore-Kontos, auf das sie die fünfzigtausend Dollar Anzahlung überweisen sollten.
Ich hörte Gelächter und blickte auf. Einige Kids an dem Terminal neben mir spielten ein Online-Spiel.
Ich überlegte kurz, wie ich hierher gekommen war.
Und ich fragte mich, ob Tatsu vielleicht genau das damit gemeint hatte, als er sagte, dass ich mich nie zur Ruhe setzen könnte. Dass ich zwangsläufig jede Chance zunichte machen würde.
Wir werden nicht nachlassen in unserm Kundschaften, hat TS. Eliot geschrieben. Und das Ende unseres Kundschaftens wird sein, am Ausgangspunkt anzukommen und den Ort zum ersten Mal zu erkennen.
Wie gottverdammt deprimierend.
4
NACHDEM ICH BELGHAZIS SUITE verlassen hatte, machte ich einen langen Spaziergang am Meer. Ich wollte darüber nachdenken, was geschehen war, und überlegen, was als Nächstes geschehen sollte.
Delilah. Wer war sie? Wie würde sich ihre Anwesenheit auf meinen Auftrag auswirken? Dieselben Fragen stellte sie sich wahrscheinlich gerade über mich.
Ihr Verhalten hatte mir verraten, dass sie sehr gut ausgebildet war. Dass sie also vermutlich nicht auf einer Art Privatmission war, sondern für eine Organisation arbeitete. Und dass sie, dem äußeren Anschein zum Trotz, nicht zu Belghazis Freunden zählte. Sie war mit ihm zusammen, weil sie etwas von ihm wollte, etwas, das er auf seinem Laptop hatte oder von dem sie vermutete, dass er es dort hatte. Aber bis jetzt hatte sie ihr Ziel noch nicht erreicht.
Ich überlegte. Sie hatte mir geholfen, aus der Suite rauszukommen, und sich damit zumindest vorübergehend auf meine Seite geschlagen. Wir hatten ein gemeinsames Geheimnis. Dieses Geheimnis könnte die Grundlage für eine Zusammenarbeit sein, falls unsere Interessen sich hinlänglich deckten.
Aber sie hatte auch allen Grund, mich als Bedrohung zu betrachten. Ihr zweifach einsetzbares Handy und das Bootlog auf Belghazis Computer waren eindeutige Beweise dafür, dass sie etwas gegen Belghazi im Schilde führte, und sie könnten von den falschen Leuten gefunden werden, wenn die wussten, wo sie suchen mussten. Wenn sie beispielsweise von jemandem wie mir einen Tipp erhielten.
Mir war klar, dass meine Kenntnis dieser belastenden Beweise möglicherweise für Delilah ein Grund war, mich aus dem Weg haben zu wollen. Dieses »aus dem Weg« könnte natürlich ganz unterschiedliche Formen annehmen, aber keine von ihnen stellte sich aus meiner Sicht sonderlich verlockend dar.
Dennoch wäre es unbedacht von ihr, irgendetwas allzu Aggressives zu unternehmen, ohne vorher versucht zu haben, mehr über mich in Erfahrung zu bringen. Hätte sie einen dummen oder unerfahrenen Eindruck gemacht, wäre ich vielleicht zu einem anderen Schluss gekommen. Aber sie war offensichtlich schon länger im Geschäft, und sie war clever. Ich rechnete damit, dass sie sich auch entsprechend verhalten würde.
Ich lächelte. Du meinst, sich so verhalten, wie du es tun würdest. Ja, das stimmte wahrscheinlich.
Umgekehrt kam sie bestimmt im Hinblick auf mich zu ähnlichen Ergebnissen, mutatis mutandis, wie der Lateiner sagt.
Insgesamt waren die Risiken eines Treffens also überschaubar. Außerdem, wenn ich ihr aus dem Weg ging und damit die Gelegenheit verstreichen ließ, weitere Informationen zu bekommen, würde es noch schwieriger und möglicherweise noch gefährlicher werden, gegen Belghazi vorzugehen. Keine leichte Entscheidung, aber letztendlich beschloss ich, mich im Kasino des Mandarin Oriental mit ihr zu treffen.
Ich rief Kanezaki über Handy an. Es war spät, aber er meldete sich nach dem ersten Klingeln.
»Ich bin’s«, sagte ich.
»Ist das Zufall, oder macht es Ihnen einfach Spaß, mich mitten in der Nacht zu stören?«
»Diesmal beides.«
»Was wollen Sie?«
»Informationen«, sagte ich. »Alles, was Sie über eine Frau herausfinden, die mir hier über den Weg gelaufen ist. Leider hab ich nicht viel, womit Sie anfangen können. Sie benutzt unter anderem den Namen Delilah. Ich glaube, sie ist Europäerin, aber ich weiß nicht welcher Nationalität. Sie ist groß, blond, attraktiv.«
»Brauchen Sie diese Informationen für Ihren Auftrag oder wollen Sie sich an die Frau ranmachen?«
Vielleicht dachte er, derart lockere Sprüche wären gut für die »Kameradschaft«. Oder dass sie uns irgendwie
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