Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
Vom Netzwerk:
mehr auf eine Ebene brachten. So oder so, es gefiel mir nicht.
    »Außerdem wohnt sie bei unserem Freund«, sagte ich.
    »Damit kann ich nicht viel anfangen.«
    »Haben wir ein Echo in der Leitung?«, fragte ich, und meine Stimme wurde eine Oktave tiefer. Anscheinend hatte er gerade erst gelernt, dass es sich empfiehlt, den Schwierigkeitsgrad einer gestellten Aufgabe möglichst hochzuspielen, um hinterher, nach erfolgreichem Abschluss, besser den Helden mimen zu können. Er überstrapazierte diese Technik, so wie ein Kind ein neu gelerntes Wort überstrapaziert.
    Die nachfolgende Pause war wohltuend. Dann sagte er: »Ich sage ja nur, dass es schwer werden könnte, mit den Angaben, die Sie mir gegeben haben, irgendwas Nützliches herauszufinden.«
    »Es interessiert mich nicht, wie schwierig es werden könnte. Können Sie die Informationen beschaffen oder nicht?«
    Wieder entstand eine Pause, und ich stellte mir vor, wie er am anderen Ende der Leitung rot anlief. Gut so. Kanezaki bildete sich wohl allmählich ein, dass ich für ihn persönlich arbeitete. Und auch wenn diese Art der Fehleinschätzung unter den frischgebackenen Geheimagenten dieser Welt vermutlich weit verbreitet war, gefiel es mir nicht, wenn sie sich auf mich bezog. Vielleicht tat es ihm ganz gut, wenn er gelegentlich daran erinnert wurde, dass ich für mich selbst arbeite. Dass er nicht auf der Bühne stand, sondern nur dahinter.
    Ich nahm eine Stimme im Hintergrund wahr, gedämpft, aber hörbar. »Das ist John, nicht?«, sagte die Stimme. »Ich will mit ihm sprechen!«
    Himmel, dieses Näseln kannte ich. Es war Dox.
    Es gab einen Wortwechsel, den ich nicht richtig mitbekam, gefolgt von einem statischen Knistern und einem Scheppern. Dann war Dox am Apparat, und seine Stimme klang laut und amüsiert.
    »He, Alter, hört sich an, als hättest du da drüben ’ne Menge Spaß! Geht’s um Blondinen oder Brünette? Oder die kleinen Asiatinnen? Ich steh auf Asiatinnen!«
    Er hatte sich wohl trotz Kanezakis Gegenwehr den Hörer geschnappt. Kein Respekt vor Geheimagenten, der Mann.
    »Was machst du denn da?«, fragte ich und musste unwillkürlich schmunzeln.
    »Och, na ja, bloß ’ne kleine Besprechung mit meinem Kontaktmann. Wir gehen ein paar Sachen durch. Und du? Hast dich wohl doch noch entschieden, Uncle Sams Großzügigkeit auszunutzen? Schön für dich, und Pech für die bösen Buben.«
    »Kann ich jetzt bitte wieder Kanezaki sprechen?«
    »Schon gut, schon gut, musst ja nicht gleich grob werden. Ich wollte nur kurz mal hallo sagen und dich an Bord begrüßen.«
    »Das ist lieb von dir.«
    Es entstand eine Pause, und dann meldete sich Kanezaki wieder. »Hallo.«
    »Hört sich an, als hätte ich Sie beim Rendezvous gestört.« Die Bemerkung konnte ich mir nicht verkneifen.
    »So würde ich das nicht nennen.« Er klang griesgrämig.
    Ich lachte. »Nur weil Sie noch nicht mit einem Zellengenossen namens Bubba im Knast gesessen haben.«
    Er musste lachen, und das war gut. Es kam mir drauf an, dass er akzeptierte, wer hier das Sagen hatte, aber ich wollte ihn nicht niedermachen. Sein Wohlwollen, sein naiver Sinn für Fairness würden mir unter Umständen zugute kommen, und ich wollte das nicht unnütz aufs Spiel setzen.
    »Ich werde im Bulletin Board nachsehen«, sagte ich. »Falls Sie irgendwas über die Frau rausfinden, stellen Sie’s da rein.«
    »Okay.«
    Ich zögerte kurz, sagte dann: »Danke.«
    »Keine Ursache«, sagte er, und es klang, als ob er dabei lächelte.
     
    Gegen sechs Uhr am nächsten Abend ließ ich mich im Kasino des Mandarin blicken. Delilah hatte zwar acht Uhr gesagt, aber ich komme gern früher zu Verabredungen. So lassen sich Überraschungen vermeiden.
    Ich nahm den Eingang von der Straße aus, weil ich das Hotel im Augenblick lieber mied. Keiko war unterwegs, aber ich wollte möglichst nicht Gefahr laufen, ihr in die Arme zu laufen, wenn sie kam oder ging. Ich ging die Rolltreppe hinauf, nickte den Wachmännern freundlich zu und trat ein.
    Der Raum war groß und größtenteils leer. Im Laufe des Abends würde es hier turbulenter zugehen. Vorläufig jedoch hatten sich nur einige wenige einsame Seelen eingefunden. Sie wirkten in dem weitläufigen Raum verloren, ihr Spiel freudlos, desinteressiert, als hätten sie ein rauschenderes Fest erwartet und säßen nun hier fest.
    Ich entdeckte Delilah sofort. Sie saß mit einer Hand voll Mitspielern an einem Baccarat-Tisch und war die einzige Nichtasiatin. Sie war schlicht gekleidet,

Weitere Kostenlose Bücher