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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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Unwahrscheinlich, dass die Pistole oder die Batterien je entdeckt wurden. Und wenn doch, würde das Wasser wahrscheinlich längst sämtliche DNA-Spuren weggespült haben. Und selbst wenn noch DNA festgestellt werden könnte, müssten sie meiner erst habhaft werden, um einen DNA-Abgleich zu machen. Was ebenso unwahrscheinlich war.
    Natürlich war da noch das Problem mit möglichen Zeugen. Ich hob mich zwar nicht so von der Masse ab, wie das bei den Arabern der Fall gewesen war, aber ich verschmolz auch nicht so ganz mit ihr. Es ist schwierig, die kleinen Unterschiede zu benennen, aber die Einheimischen von Sham Shui Po hatten sie sicherlich registriert und würden sich möglicherweise daran erinnern. Zum Beispiel stimmte meine Kleidung nicht. Ich hatte mich für einen Ausflug und Einkaufsbummel im Zentrum angezogen, nicht für die labyrinthartigen Gässchen und Sträßchen meiner derzeitigen Umgebung. Die Einheimischen kleideten sich hier salopper. Und das, was sie trugen, saß anders, meistens nicht so gut. Wie das ganze Viertel selbst waren auch die Farben ihrer Kleidung leicht gedämpft. Diese Menschen brachten ihre feinen Sachen nicht in die chemische Reinigung und bekamen sie gestärkt und auf Bügeln zurück. Sie wuschen ihre Wäsche nicht mit Waschpulver, das reichlich Bleichmittel und Fleckenlöser und Weißmacher enthielt, und sie trockneten sie nicht im Schongang eines mikroprozessorgesteuerten Trockners. Sie ließen ihre Wäsche in der verschmutzten Luft an der Leine trocknen. Diese und andere Unterschiede fielen auf. Ob die Zeugen sie auch würden beschreiben können, konnte ich nicht sagen. Also musste ich mit allen mir möglichen Mitteln dafür sorgen, dass es keine Rolle spielen würde, falls sie es konnten.
    Ich bog um eine Ecke, knüllte das Jackett zusammen und stopfte es tief in einen stinkenden Müllhaufen in einem Metallcontainer. Dann knöpfte ich mein Hemd auf, zog es aus und bestattete es auf die gleiche Weise. Jetzt trug ich nur noch Hose und T-Shirt und wirkte etwas mehr wie jemand aus der Gegend.
    Ich vergewisserte mich mit einigen offensiven Maßnahmen davon, dass ich nicht mehr verfolgt wurde, fuhr dann mit der U-Bahn nach Mong Kok und ging dort in einen Drogeriemarkt. Ich kaufte Seife, Desinfektionsmittel, Haargel und einen Kamm. Nächste Station war eine öffentliche Toilette, die nach Jahrzehnte altem Urin stank und wo ich die Baseballmütze entsorgte und mein Aussehen noch ein wenig veränderte, indem ich mir die Haare mit Gel glättete. Mit Seife und Desinfektionsmittel entfernte ich die Pulverrückstände, die unter UV-Licht auf meinen Händen sichtbar werden könnten. Als ich die Toilette wieder verließ, hatte ich allmählich das Gefühl, mich einigermaßen gut abgesichert zu haben.
    Bei einem Straßenhändler kaufte ich ein billiges Hemd, dann suchte ich mir ein Café, wo ich mich ein paar Minuten sammeln konnte. Ich bestellte einen Tapioka-Tee und setzte mich an einen freien Tisch.
    Wie immer reagierte ich zunächst mit Hochstimmung. Ich hätte sterben können, aber ich war nicht gestorben, ich lebte noch. Selbst wenn man schon viele lebensgefährliche Situationen überstanden hat, möchte man hinterher immer am liebsten laut loslachen oder herumhüpfen, schreien, irgendwas tun, um so richtig zu spüren, dass man am Leben ist. Ich musste mich beherrschen, um nach außen hin ruhig zu bleiben, und wartete ab, dass diese altvertrauten Impulse sich wieder legten. Als es so weit war, ging ich im Kopf noch einmal sämtliche Schritte durch, die ich soeben unternommen hatte, um die Verbindung zwischen mir und den drei Arabern zu verwischen, und ich fand sie zufriedenstellend. Dann fing ich an vorauszudenken.
    Drei ausgeschaltet. Das war gut. Wer auch immer hinter mir her war, ich hatte ihr Personal gerade deutlich dezimiert und damit ihren Möglichkeiten und vielleicht auch ihrem Willen, gegen mich vorzugehen, einen Dämpfer verpasst. Die Zahlmeister hatten wahrscheinlich keinen unmittelbaren Zugang zu hiesigen Quellen. Andernfalls hätten sie nicht so offensichtlich ausländische Handlanger geschickt. Und wenn jetzt bekannt wurde, dass die letzten drei Männer, die sich für diesen Auftrag gemeldet hatten, allesamt außerordentlich tot waren, würde es ihnen vielleicht schwerer fallen, neue Freiwillige zu rekrutieren.
    Mein Gefühl der Befriedigung war natürlich nicht nur rein beruflicher Natur. Die Mistkerle hatten versucht, mich umzubringen.
    Ich zog das Handy aus der Tasche.

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