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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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Handgelenk mit der anderen Hand und schnellte hoch und nach hinten. Seine Arme flogen hoch, verkrampften sich dann und fielen schlaff herab, als die Halswirbel sich voneinander lösten und sein Genick brach.
    Ich fasste einen Aufschlag seines Jacketts und trat vor ihn. Dann ging ich in die Hocke, zog ihn am Aufschlag hoch und schob meinen Kopf in seine Achselhöhle. Ich stand ganz langsam auf, bis ich ihn sicher auf der Schulter liegen hatte. Dann griff ich in die Hosentasche und zog die Keycard für mein Zimmer heraus. »Da«, sagte ich und warf sie Delilah zu. »Fünfhundertvier. Schließen Sie auf.«
    Sie fing sie geschickt auf und ging vor mir den Gang entlang.
    Ich blieb dicht hinter ihr. Ich wollte sehen, ob das Haar zerrissen war oder nicht. Ich blieb vor der Tür stehen, kniff die Augen zusammen und spähte nach unten.
    Das Haar war zerrissen. Was nicht mehr bewies als ihr scheinbar unverdächtiges Handy. Jedenfalls bewies es nicht, dass sie mir mit der Geschichte, jemand sei in meinem Zimmer, eine Lüge aufgetischt hatte.
    Als Nächstes dachte ich natürlich: Bombe. Der Kerl geht rein, legt sie und haut wieder ab. Kein Zeitzünder, weil sie nicht wissen konnten, wann ich zurückkommen würde. Sie würde an irgendwas gekoppelt sein, die Tür, eine Schublade, irgendwas. Eine Sicherheitsmaßnahme, für den Fall, dass der Hinterhalt in Hongkong schiefging.
    Delilah hatte anscheinend das Gleiche gedacht. Entweder das, oder sie war eine wirklich gute Schauspielerin. Sie fuhr leicht mit den Fingern über die Türeinfassung, suchte alles genau mit den Augen ab. Ich glaubte nicht, dass ein eventueller Sprengkörper mit der Tür verbunden sein würde. Erstens wäre es ziemlich kompliziert, so was zu installieren: Quecksilberschalter, Schwingungsschalter, die elektronischen Möglichkeiten, die Bombe aus Sicherheitsgründen erst später scharf zu machen. Einfachere Mittel würden den Bombenleger zwingen, einige Zeit vor der Tür zu verbringen, wo er gesehen werden könnte. Auf jeden Fall würde das Herumhantieren an der Tür mit größerem Zeitdruck und mit einem größeren Risiko einhergehen, entdeckt zu werden. Dagegen boten sich im Zimmer eine Vielzahl von Möglichkeiten ohne diese Nachteile.
    Dennoch, auf Nummer sicher zu gehen hat noch keinem geschadet. Wenn eine Bombe mit der Tür gekoppelt wird, bleiben meistens Spuren am Türrahmen zurück, wo der Bombenbauer irgendwas anbringen muss, das beim Öffnen der Tür dann einen Stromkreis schließt.
    Delilah war anscheinend zufrieden und schob die Keycard ein. Sie öffnete die Tür gerade so weit, dass sie hineinschlüpfen konnte – nicht weiter als jemand, der, sagen wir, einen Quecksilberschalter senkrecht auf den Boden hinter der Tür geklebt hat, sie öffnen würde, um den Raum zu verlassen. Sie hielt einen Moment inne, dann öffnete sie sie weiter. Wir gingen hinein und hielten dabei Ausschau nach Stolperdrähten.
    Die Tür schloss sich hinter uns. Ich legte die Leiche gleich daneben ab, und wir durchsuchten rasch den Raum. Quecksilberschalter, Luftdruckschalter, Fotozellenschalter … es gibt viele Möglichkeiten, ein Zimmer entsprechend zu manipulieren. Es kommt darauf an, auf alles Ungewöhnliche zu achten, auf alles, was irgendwie verdächtig wirkt. Wir überprüften den Schreibtischsessel, die Kanten der Schubladen, die Schranktüren, die Minibar, die Unterseite der Betten, die Vorhänge, den Fernseher. Wir sagten beide kein Wort. Die Durchsuchung dauerte ungefähr zehn Minuten.
    Ich hörte kurz vor ihr auf. Sie stand mit dem Rücken zu mir, hatte sich gerade vorgebeugt und fuhr jetzt mit dem Finger über den Rand der Nachttischschublade. Der schwarze Rock spannte sich straff über ihrem Hintern, und die nackte Rückseite ihrer Beine wirkte im Kontrast hinreißend weiß.
    Sie richtete sich auf und sah mich an. Sie hatte einen dünnen Schweißfilm auf der Stirn. Der Seidenstoff ihrer Bluse schimmerte und schmiegte sich an genau den richtigen Stellen an.
    »Das war zu knapp«, sagte sie kopfschüttelnd. »Das muss aufhören.«
    Ich nickte und betrachtete sie. Ich konnte nicht feststellen, ob das Pochen in meiner Brust auf die Anstrengung zurückzuführen war, die mit dem Töten, Hochhieven und Tragen von Liftboy zu tun hatte, oder auf etwas anderes. Da ich aber ihre Konturen, ihre Haut so bewusst wahrnahm, tippte ich eher auf Letzteres. Erregtheit ist eine verbreitete Reaktion der Psyche nach einer Kampfhandlung – Eros setzt sich wieder gegen Thanatos durch.

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