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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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Wenn ich meinen Lebensstil nicht bald änderte, würde ich vielleicht nicht lange leben. Aber dafür käme ich stets ohne Viagra aus.
    »Es hat uns keiner gesehen«, sagte ich, zog mich aus der Richtung zurück, in die mein Körper und der primitive Teil meines Gehirns wollten, und konzentrierte mich auf die Situation. »Und im Fahrstuhl oder auf den Gängen sind keine Kameras.«
    »Das weiß ich«, sagte sie.
    »Also gut. Sagen Sie mir, was Sie wissen.«
    »Nur das, was ich Ihnen erzählt habe.« Sie deutete mit dem Kinn auf die zusammengesunkene Gestalt neben der Tür. »Saudi. Ich hab seinen Akzent erkannt.«
    »Sie sprechen so gut Arabisch, dass Sie sogar Akzente heraushören können?«
    Sie schüttelte den Kopf über die Frage. »Darüber können wir ein anderes Mal reden. Im Augenblick müssen wir nur klären, wie wir Sie aus Macau rauskriegen. Ich hab die Nase voll davon, dass Sie mir meinen Einsatz versauen.«
    Ich spürte, wie mir das Blut aus dem Gesicht wich. »Ich versaue Ihren Einsatz?«, sagte ich leise. »Ich könnte genauso gut–«
    »Vorhin wäre ich fast mit Ihnen gesehen worden.« Sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt, und ihre Augen glühten zornig. »Und zwar von jemandem, der für Belghazi arbeitet, wie ich vermute, bis man mich vom Gegenteil überzeugt. Ist Ihnen klar, was mit mir passiert, wenn er anfängt, mich zu verdächtigen?«
    »Hören Sie, ich hab Sie nicht darum gebeten, mich –«
    »Ja, stimmt, ich hätte Sie einfach in die Falle von dem Typen da laufen lassen sollen. Es wäre besser gewesen. Dann wären Sie weg von der Bildfläche, und genau das brauche ich.«
    »Und warum dann?«, fragte ich in der Hoffnung, dass ich meine Sätze vielleicht mal beenden könnte, wenn ich sie kurz hielt.
    Sie sah mich an, sagte aber nichts.
    »Warum haben Sie mich gewarnt?«
    Ihre Nasenlöcher weiteten sich, und sie wurde rot. »Es geht Sie gar nichts an, warum ich etwas tue oder nicht tue. Ich habe einen Fehler gemacht, okay? Ich hätte mich einfach zurückhalten sollen! Wenn ich die Entscheidung noch mal treffen könnte, würde sie anders ausfallen, ehrlich!«
    Sie riss sich zusammen, wahrscheinlich weil sie gemerkt hatte, dass sie laut geworden war. »Ich will, dass Sie Macau verlassen«, sagte sie ruhiger.
    Ich überlegte kurz, ob ihr Ausbruch auf Frustration zurückzuführen war. Frustration über Ihren gescheiterten Versuch, mich loszuwerden.
    »Ich weiß, wie Ihnen zumute ist«, sagte ich. »Ich will nämlich das Gleiche von Ihnen.«
    Sie schüttelte einmal kurz den Kopf und verzog das Gesicht, als wäre meine Äußerung lächerlich. »Die Situation ist uns doch beiden klar. Wir haben das schon besprochen. Selbst wenn unsere Positionen vorher deckungsgleich waren, jetzt sind sie es nicht mehr. Er ist hinter Ihnen her. Selbst wenn ich mich zurückziehen würde – was ich übrigens nicht tun werde –, sind Sie nicht mehr in der Lage, das zu Ende zu bringen, weswegen Sie hier sind.«
    »Das sehe ich nicht so.«
    »Mein Gott, was muss denn noch passieren, damit Sie das einsehen?«
    Ich hielt einen Moment inne und überlegte. Natürlich hatte sie aller Wahrscheinlichkeit nach Recht. Aber ich hatte noch nichts von Kanezaki gehört. Vielleicht würde ich von ihm mehr erfahren. Und vielleicht auch von ihr, falls ich einen Weg fand, sie zum Reden zu bringen.
    Sie wollte, dass ich verschwand. Wollte es so sehr, dass das, was im Fahrstuhl passiert war, vielleicht sogar ein missglückter Versuch war, genau das zu erreichen. Wie auch immer, vor wenigen Augenblicken hatte das Thema ihr die ansonsten unerschütterliche Fassung geraubt.
    Was mir einen Trumpf in die Hand gab. Ich beschloss, ihn auszuspielen.
    »Ich schlage vor, wir treffen uns später nochmal«, sagte ich. »In der Zwischenzeit werde ich ein paar Dinge überprüfen, und dann bringen wir uns gegenseitig auf den neuesten Stand. Wenn ich zu dem Zeitpunkt davon überzeugt bin, dass ich keine Chance habe, die Sache ordentlich zu Ende zu bringen, ziehe ich mich zurück.«
    »Ich werde mich nicht nochmal mit Ihnen treffen. Das ist zu gefährlich.«
    »Nicht, wenn wir’s richtig anstellen.«
    Sie schwieg kurz, dann sagte sie: »Was schwebt Ihnen vor?«
    »Wo ist Belghazi zurzeit?«
    »Nicht in Macau.«
    »Wo dann?«
    »Er hat Termine in der Region. Ich soll nicht wissen, wo.«
    Etwas nicht wissen sollen und etwas nicht wissen sind zwei ganz verschiedene Dinge. Sie befürchtete, dass ich versuchen würde, ihm zu folgen, wenn sie mir verriet,

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