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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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wo er war. Und diese Sorge war nicht unbegründet.
    »Wann kommt er wieder?«, fragte ich.
    »Das wusste er nicht genau. In ein, zwei Tagen.«
    »Also gut. Machen Sie einen Ausflug nach Hongkong. Heute Abend. Da gibt es viele Europäer, und es ist sehr viel größer. Dort können Sie leichter in der Masse verschwinden. Wenn er fragt, sagen Sie, Macau sei Ihnen auf die Nerven gegangen, Sie hätten sich gelangweilt, Sie wollten ein bissen einkaufen und sich die Sehenswürdigkeiten anschauen.«
    Es entstand eine lange Pause. Dann sagte sie: »Wo finde ich Sie?«
    »Das weiß ich jetzt noch nicht. Geben Sie mir Ihre Handynummer, und ich rufe Sie von einem öffentlichen Telefon aus an. Zehn Uhr heute Abend. Dann sage ich Ihnen, wo.«
    Sie musterte mich einen Moment und nickte dann. Ich griff mir rasch das Schreibzeug, das neben dem Telefon lag, und notierte die Nummer, die sie mir nannte, wie immer verschlüsselt, damit sie nicht belastet würde, falls man mich je mit dem Zettel fand.
    Sie ging zur Tür. Ich sah, dass sie einen kurzen Blick auf die Leiche warf, als sie darüber hinwegstieg. Sie spähte durch den Spion, öffnete die Tür einen Spalt, schaute hindurch und schlüpfte dann hinaus auf den Gang. Die Tür schloss sich leise hinter ihr.
    Ich musste jetzt vorsichtig sein. Ich wusste, dass es nur zwei mögliche Gründe gab, warum sie unserem Treffen zugestimmt hatte. Erstens, weil sie Angst hatte, dass ich sonst wieder versuchen würde, Belghazi zu erwischen, und ihr damit die Tour vermasseln würde. So gesehen hatte ich sie praktisch dazu gezwungen, und mir war bewusst, dass Zwang naturgemäß ein gefährliches Mittel ist, um sich die Kooperation eines Menschen zu verschaffen.
    Zweitens, sie hoffte auf eine weitere Gelegenheit, selbst ein bisschen Zwang auszuüben.
    Mir fiel ein, dass sie nicht mal gefragt hatte, was ich mit dem Toten machen wollte. Ich beschloss, das als Kompliment aufzufassen: Sie wusste, dass ich mich darum kümmern würde, und hatte die Frage für unnötig gehalten.
    Am Ende brauchte ich den Rest des Nachmittags, um Liftboy so verschwinden zu lassen, wie es erforderlich war. Ich hätte ihn einfach im Zimmer liegen lassen können, aber damit hätte ich all meine Bemühungen zunichte gemacht, jede Verbindung zwischen mir und den anderen toten Arabern zu vertuschen. Hmm, würde die Polizei denken, drei tote Saudis in Hongkong, zwei weitere in der Nähe des Fährterminals in Macau und jetzt noch einer in einem Hotelzimmer? Eine unwesentlich bessere Lösung wäre es gewesen, ihn in einem der Treppenhäuser des Oriental abzulegen, aber dann hätte sich die Polizei dennoch mit dem Hotel befasst, in dem ich gewohnt hatte. Klar, ich war unter einem Decknamen abgestiegen, und ich hätte einfach verschwinden und darauf bauen können, dass diese falsche Identität ausreichen würde, um erst gar nicht mit den Verbrechen in Zusammenhang gebracht zu werden, aber ich beschloss, dass es gefährlicher wäre, wenn die falsche Identität Gegenstand von Untersuchungen würde, als wenn ich alles schön aufräumte und es gar nicht zu einer Untersuchung kommen ließ.
    Natürlich reichte es nicht, nur ein bisschen sauber zu machen wie nach einer Party. Ich musste ein geeignetes Gepäckstück kaufen, in diesem Fall eine ein Meter vierzig große stabile Reisetasche von Tumi, die als »Goliath unter den Kleidersäcken« angepriesen wurde; Plastikfolie, um zu verhindern, dass das Innere der Tasche beim Transport kontaminiert wurde, und jede Menge Handtücher, um eventuell austretende Flüssigkeiten aufzusaugen. Was den eigentlichen Packvorgang betraf, so belassen wir es dabei, dass Liftboy zwar kein besonders großer Mann war, aber eben auch nicht nur ein Haufen Jacketts, und dass ich daher ein paar unangenehme Änderungen vornehmen musste, um die gewünschte Passform zu erreichen. Der Goliath machte seinem Namen alle Ehre, und ich konnte ihn mit seiner ungewöhnlich schweren Fracht aus dem Hotel rollen, wobei ich das Hilfsangebot zweier eifriger Hotelpagen dankend ablehnte. Etwa einen Kilometer vom Hotel entfernt tauchte ich unter der Fußgängerbrücke hinter einen Pfeiler und lud Goliaths Inhalt aus, dann ging ich weiter, zog die Reisetasche mit nun wesentlich geringerem Kraftaufwand hinter mir her. Ich ließ sie weit weg vom Hotel stehen, am anderen Ende der Brücke, wo sie bestimmt bald jemand »mitnehmen« würde, erstaunt und glücklich, aus heiterem Himmel an ein so teures, qualitativ hochwertiges Gepäckstück

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