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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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schön entspannt gewesen. Meine Güte, der Whiskey tat wirklich seine Wirkung. Normalerweise bin ich nicht sentimental.
    »Das ist verständlich«, sagte sie und nickte. »Dennoch, was ich gesagt habe, stimmt. Forschen Sie ein bisschen nach, dann werden Sie das einsehen.«
    Ich nickte. »Das Nachforschen ist bereits geschehen. Diskret, keine Sorge.« Was nicht ganz die Wahrheit war, aber welche Auswirkungen meine Nachfrage bei Kanezaki für sie haben würde, darüber wollte ich lieber später nachdenken.
    Ich trank einen Schluck Laphroaig. »Wie dem auch sei, ich muss rausfinden, wo die undichte Stelle ist, damit ich sie schließen kann.«
    »Sie glauben, das Problem liegt auf Ihrer Seite?«
    Ich zuckte die Achseln. »Wäre nicht das erste Mal. Ich habe vor langer Zeit gelernt, dass es gefährlich ist, für Demokratien zu arbeiten. Die werden ständig von ihren eigenen parlamentarischen Kontrollmechanismen behindert, von dem dauernden Liebäugeln mit der öffentlichen Meinung, deshalb brauchen sie logischerweise Anreize, um Möglichkeiten zu finden, wie man gewisse Dinge unter der Hand erledigt. Manchmal weiß man da kaum noch, mit wem man es zu tun hat.«
    Sie lächelte. »Soll Castro weggepustet werden? Wende dich an die Mafia.«
    Ich erwiderte das Lächeln. »Klar. Oder wenn der Kongress keine neuen Mittel mehr rausrückt, unterstützt man die Contras eben über den Sultan von Brunei.«
    »Oder man spannnt die Saudis als Finanziers ein.«
    »Ja, keine Bange, ich verstehe, was Sie meinen.«
    Sie wedelte mit den Händen wie ein Fußgänger, der versucht, ein nahendes Auto zum Bremsen zu bewegen, und die Geste wirkte sowohl ungeduldig als auch flehend. »Tut mir Leid, wenn ich darauf rumreite. Aber Sie müssen wissen, dass der elfte September Amerika in eine schlimme Schizophrenie gestürzt hat. Das Land hat sich dem ›Krieg gegen den Terror‹ verschrieben, aber es zahlt nach wie vor Milliarden Dollar an die Saudis, wohl wissend, dass diese Dollars just die Gruppen finanzieren, mit denen Amerika angeblich im Krieg liegt. Fünfzehn der neunzehn Attentäter des elften Septembers waren Saudis, aber darüber will keiner reden. Stellen Sie sich nur mal vor, die Attentäter wären Iraner gewesen oder Nordkoreaner? Ich glaube, wenn Amerika ein Mensch wäre, würde jeder Psychiater einen schweren klinischen Fall von Verleugnung diagnostizieren. Mir ist schleierhaft, wie Sie so einem Auftraggeber trauen können.«
    »Trauen Sie denn Ihren Auftraggebern?«, fragte ich.
    Sie blickte nach unten. Die Hände sanken sacht auf ihren Schoß. Nach einem Moment sagte sie: »Es ist kompliziert.«
    »Das klingt nicht gerade begeistert.«
    Sie seufzte. »Ich traue ihren Intentionen. Manches in der … in der Politik ist dumm und überlebt. Aber ich muss nicht mit allen Entscheidungen einverstanden sein, um zu wissen, dass ich das Richtige tue.«
    Ihre Stimme verriet mir, dass meine Frage sie aufgewühlt hatte. Aber nicht wegen der Gründe, die sie gerade genannt hatte. Da war noch etwas anderes.
    »Trauen Ihre Auftraggeber Ihnen?«, fragte ich.
    Sie lächelte und wollte etwas antworten, hielt aber inne. Wieder sah sie nach unten. »Auch das ist … kompliziert«, sagte sie.
    »Inwiefern?«
    Sie blickte nach rechts und links, als suchte sie nach einer Antwort. »Sie haben mich ausgebildet und auf Herz und Nieren überprüft«, sagte sie nach einem Moment. »Und ich bin richtig gut. Ich bin effizient, und ich habe einige Erfolge vorzuweisen.«
    Sie trank einen Schluck, und ich wartete, dass sie weiterredete.
    »Aber, seien wir ehrlich, ich schlafe mit dem Feind. Im wahrsten Sinne des Wortes. Das ist für viele schwer nachvollziehbar. Sie fragen sich, was ich dabei empfinde, ob es mich nicht vielleicht … infiziert oder so.«
    »Was empfinden Sie denn dabei?« Ich konnte es mir nicht verkneifen.
    Sie wandte den Blick ab. »Darüber will ich nicht reden.«
    Ich nickte, und wir schwiegen einen Moment. Dann sagte ich: »Bei dieser Operation gehen Sie ein hohes Risiko ein. Vielleicht ein noch höheres als sonst. Da könnte manch einer argumentieren, dass es jetzt, wo ich aufgetaucht bin und dann auch noch der Bursche im Hotel, einfach zu heiß für Sie geworden ist, dass Sie sich absetzen sollten. Aber das haben Sie nicht getan.«
    Sie lächelte, aber das Lächeln war nicht echt.
    »Wollen Sie damit irgendwas beweisen?«, fragte ich. »Versuchen Sie, sich bei irgendwem Respekt zu verschaffen, indem Sie hier Ihr Leben aufs Spiel

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