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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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Augenbraue leicht an und sagte: »Ich dachte, Sie hätten eben noch gesagt, Sie halten Abstand.« Aber sie lächelte ein wenig, und in ihren Augen lag dieser warme Anklang von Ironie und Humor.
    »Das ist das Problem, wenn man seine Regeln selbst aufstellt«, sagte ich. »Es ist niemand da, der einem den Kopf zurechtrückt, wenn man sie bricht.«
    »Ich dachte, Sie hätten gesagt, dass Sie nicht mit mir schlafen werden.«
    »Tu ich auch nicht.«
    Ich sah sie noch einen Moment länger an, dann lehnte ich mich langsam vor. Sie beobachtete mich. Ihr Blick war auf meine Augen gerichtet, glitt nur kurz hinunter auf meinen Mund und dann wieder zu meinen Augen.
    Ich zögerte. Unsere Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. Ich nahm ganz schwach ein seltenes Parfüm wahr, vielleicht eines, dass sie in irgendwelchen Edelläden in Paris oder Mailand exklusiv für sich in teure Kristallflakons abfüllen ließ. Der Duft war da, aber er ließ sich nicht genau benennen, wie die Überbleibsel eines Traums beim Erwachen oder das Nachleuchten, das nach einem grellen Lichtblitz auf der Netzhaut verblasst, oder die Erinnerung an ein Gesicht, das man vor einer ganzen Ewigkeit gekannt und geliebt hat. Etwas, das gerade so real ist, dass es einen nicht loslässt, dass man es festhalten will, zurückgewinnen will, ehe es wieder entschwindet und unwiderruflich verloren geht.
    Ich neigte den Kopf noch etwas weiter und küsste sie. Sie akzeptierte, aber erwiderte den Kuss nicht so recht, und nach einem Moment wich ich zurück und sah sie an.
    »Manche Menschen würden das, was Sie hier tun, als ›doppelte Botschaften‹ bezeichnen«, sagte sie. Sie lächelte schwach, aber ihr Tonfall war ernst.
    »Ich habe ein widersprüchliches Wesen. Das haben mir sämtliche Psychologen beim Militär bestätigt.«
    »Vor ein paar Minuten haben Sie mich noch abblitzen lassen, schon vergessen?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Das waren nicht Sie. Das war Ihr Alter Ego. Und das interessiert mich nicht.«
    »Wie wollen Sie wissen, ob Sie das, was dahinter steckt, interessiert?«
    »Was ich bislang gesehen habe, gefällt mir.«
    Sie sah mich an. »Vielleicht haben Sie ja Recht. Vielleicht bin ich ja nur eine gute Schauspielerin. Eine Blenderin.«
    »Das wäre aber traurig.«
    »Das haben Sie gesagt, nicht ich.«
    »Da wollte ich Sie aus der Reserve locken.«
    »Das ist Ihnen gelungen.«
    »Zeigen Sie mir, dass ich mich geirrt habe.«
    »Da bin ich mir nicht sicher.«
    Ich starrte mit gespielter Lüsternheit auf ihre Beine und Brüste und sagte: »Meinetwegen, dann eben das Alter Ego.«
    Sie lachte, verstummte unvermittelt und sah mich wieder lange an. Sie beugte sich vor, und wir küssten uns erneut.
    Diesmal war der Kuss besser. Er hatte etwas Zögerliches an sich, die Unsicherheit eines Waffenstillstands, das Gefühl, dass sich dahinter irgendetwas langsam, aber mit unaufhaltsamer Kraft bewegte.
    Sie öffnete den Mund etwas weiter, und unsere Zungen berührten sich. Wieder war da ein Zögern: ein vorsichtiges Abtasten, kein hastiges Vordringen, eine behutsame Annäherung, kein kopfloser Sprung in unbekannte Gewässer.
    Eine Minute verging, vielleicht zwei, und der Kuss wurde unvorsichtiger, leidenschaftlicher, weniger überlegt, eigenständiger. Er gewann und verlor an Intensität, als gehorche er irgendeiner Macht, die uns allmählich entglitt. Ich erkundete jeden Aspekt ihres Mundes, und jede neue Entdeckung zuckte durch mein Bewusstsein wie ein Bild, das von einer Stroboskoplampe angestrahlt wurde.
    Sie nahm meine Unterlippe zwischen die Zähne und hielt sie einen Moment fest, dann ließ sie los und wich langsam zurück. Wir sahen uns an. Sie lächelte.
    »Ich mag deinen Geschmack«, sagte sie.
    »Ja, das hab ich auch gerade gedacht. Muss am Laphroaig liegen.«
    »Zum Teil. Der andere Teil bist du.«
    Ich lächelte sie an. »Der exotische Geschmack Asiens?«
    Sie lachte. »Einfach nur du.«
    Wir liebten uns auf dem Bett. Mittendrin kabbelten wir uns im Spaß darüber, wer oben sein sollte, lösten das Problem aber dadurch, dass wir beide Alternativen und noch zahlreiche andere ausprobierten. Ihr Körper war so sinnlich und schön, wie sein Anblick in Belghazis Suite verheißen hatte, und sie bewegte sich mit einer unverstellten Natürlichkeit und Begeisterung, dass ich daran denken musste, wie selbstbewusst sie mir erschienen war, als ich sie das erste Mal in der Lobby des Mandarin Oriental gesehen hatte.
    Wir benutzten Kondome, von denen

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