Der Verrat
eine Seite, dann die andere, und wäre fast dem Gedanken erlegen, wie leicht es wäre, meine Hände über ihre Schultern gleiten zu lassen, ihr Kleid und die Wäsche darunter mit einer einzigen fließenden Bewegung abzustreifen, ihre Brüste zu enthüllen, ihre Haut, ihren Körper.
Es war da, wenn ich es wollte. Ich wusste das, und ich wusste auch, dass es geplant war, dass unsere Bewegungen von ihr choreographiert wurden, dass sie mir das bot, was ich begehrte, wie ein freundlicher Hausbesitzer einem ausgehungerten Kätzchen Milch anbietet und dem kleinen Streuner vielleicht noch den Kopf krault, während er gierig die letzten Reste aufleckt.
Und plötzlich packte mich die Wut. Das Kätzchenbild half mir dabei. Ich nahm die Hände von ihrem Hals und trat behutsam einen Schritt von ihr weg. Mein Mund war ganz trocken. Ich griff nach meinem Laphroaig. Trank einen Schluck. Setzte mich wieder, so beiläufig wie möglich.
»Ich hatte Recht mit meiner Vermutung«, sagte ich und ließ sie einfach da stehen. »Sie können nicht damit aufhören. Das ist Ihr einziger Trumpf.«
Ihre Augen verengten sich, und ich wusste, dass ich ins Schwarze getroffen hatte. Beim Judo war ich schon gegen solche Typen angetreten. Sie hatten einen todsicheren Trick, eine Technik, mit der sie immer Erfolg hatten. Aber wenn man es schaffte, dagegen zu halten, gerieten sie rettungslos ins Schwimmen.
»Wie ist das so?«, fragte ich und fühlte mich wieder etwas selbstsicherer. »Können Sie überhaupt noch mit einem Mann reden, ohne ihn anzumachen? Was wollen Sie denn in ein paar Jahren machen, wenn Ihre Reize allmählich verschwinden? Mehr haben Sie nämlich nicht zu bieten. Vielleicht früher mal, aber das ist lange her. Davon ist nichts übrig geblieben.«
Ihre Augen wurden noch schmaler, und es sah fast so aus, als legten sich ihre Ohren wie bei einem wütenden Raubtier flach an den Kopf. Gut so, dachte ich. Das habe ich gebraucht.
»Wollen Sie sich nicht setzen?«, fragte ich und deutete auf die Couch. »Ich werde nicht mit Ihnen schlafen. Und ich werde Sie nicht töten. Nicht hier, nicht jetzt. Ich habe den ganzen Nachmittag gebraucht, um den Typen aus dem Fahrstuhl zu entsorgen, und heute Nacht will ich mir so was nicht noch mal aufhalsen.«
Sie lächelte in einer Weise, dass sich mir die Frage aufdrängte, ob sie sich gerade ausgemalt hatte, mich umzubringen, und nickte mir dann zu, als wollte sie sagen: Also gut. Touchée.
Sie ging zurück zur Couch und leerte ihr Glas. Ich nahm die Flasche, und während ich ihr nachschenkte, fiel mir auf, dass unsere Hände zitterten. Ich wusste, dass sie es auch sah.
»Ich würde sagen, es steht unentschieden«, stellte ich fest.
Sie lächelte und trank einen Schluck aus dem nachgefüllten Glas. »Ich denke, Sie sind großzügig«, sagte sie.
»Ich bin ehrlich.«
Sie lächelte erneut, diesmal etwas heiterer. »Sie sind gut, wissen Sie. Außergewöhnlich gut.«
»Ja, das gilt auch für Sie.«
Sie trank erneut und sah mich an. »Wäre interessant gewesen zu sehen, was wohl passiert wäre, wenn wir uns unter anderen Umständen kennen gelernt hätten.«
»Ist es Ihnen noch nicht interessant genug?«, fragte ich. Wir lachten beide, und die Anspannung löste sich.
Wir schwiegen einen Moment, vielleicht um uns zu sammeln und an die neue Dynamik zu gewöhnen. Ich beschloss, ein paar unverfängliche Themen anzuschneiden, um ihr nach dem scharfen Wortwechsel Gelegenheit zu geben, sich zu erholen. Aber ich wollte auch, wie ich mir eingestand, dass wir uns gut verstanden, ich wollte kein Geplänkel und erst recht keinen Streit mit ihr, und ich fragte mich kurz, welchen Beweggrund meine Entscheidung denn nun wirklich hatte.
»Wissen Sie, in Belghazis Suite hätten Sie mich beinahe drangekriegt«, sagte ich.
Sie zuckte die Achseln. »Ich hatte das Überraschungselement auf meiner Seite. Von einer nackten Frau haben Sie bestimmt nicht viel erwartet.«
»Kann sein. Aber Sie haben das eingesetzt, was Sie einsetzen konnten, und noch dazu sehr gut. Wer hat Sie ausgebildet?«
Die Frage war geradeheraus, und ich wusste, sie würde sie nicht als einen weiteren Versuch einstufen, ihr Informationen zu entlocken.
Sie sah mich lange an und sagte dann: »Das ist Krav Maga.«
Krav Maga ist die Selbstverteidigungsmethode, die vom israelischen Militär entwickelt wurde. Heutzutage wird es in der ganzen Welt unterrichtet, daher muss jemand, der Krav Maga beherrscht, noch lange kein Israeli sein. Aber Delilah
Weitere Kostenlose Bücher