Der Verrat
aufgelistet, die sich im Besitz von TAG befanden. Als die Post eine neue Verteilstelle brauchte, hatten sich die Wege von RiverOaks und Gantry gekreuzt.
Am 6. Januar hatte die Postdirektion RiverOaks per Einschreiben davon in Kenntnis gesetzt, dass die Gesellschaft den Zuschlag bekommen habe und der Erbauer, Eigentümer und Vermieter der neuen Verteilstelle sein werde. Eine schriftliche Vereinbarung sah jährliche Mietzahlungen in Höhe von 1,5 Millionen Dollar vor, und zwar über einen garantierten Zeitraum von zwanzig Jahren. In dem Brief stand auch, dass der Vertrag zwischen der Postdirektion und RiverOaks spätestens am 1. März unterschrieben sein müsse, was auf eine für Regierungsbehörden völlig unübliche Hast hindeutete. Nach sieben Jahren des Erwägens und Planens sollte die neue Verteilstelle praktisch über Nacht gebaut werden.
RiverOaks und ihre Anwälte und Makler machten sich an die Arbeit. Im Januar kaufte die Gesellschaft vier Grundstücke an der Florida Avenue, in der Nähe des Lagerhauses, wo die Zwangsräumung erfolgt war. In der Akte befanden sich zwei Karten der Gegend, auf denen die Grundstücke, die man bereits erworben hatte oder über die man noch verhandelte, farbig markiert waren.
Bis zum 1. März war es nur noch eine Woche. Kein Wunder, dass Chance die Akte so schnell vermißt hatte: Er bearbeitete sie wahrscheinlich täglich.
Das Lagerhaus an der Florida Avenue hatte TAG im vergangenen Juli für eine nicht genannte Summe erworben. Am 31. Januar hatte RiverOaks es für zweihunderttausend Dollar gekauft, vier Tage vor der Zwangsräumung, in deren Verlauf Devon Hardy und die Familie Burton auf die Straße gesetzt worden waren.
Auf dem nackten Holzboden des Raums, der mein Wohnzimmer werden sollte, nahm ich ein Dokument nach dem anderen aus dem Ordner, las es sorgfältig durch und machte mir detaillierte Notizen, damit ich die Akte später wieder zusammenfügen konnte.
Ich fand die übliche Ansammlung von Papieren, wie sie wohl zu jedem Grundstücksgeschäft gehörten: Steuerbescheide für die vorangegangenen Jahre, eine chronologisch geordnete Reihe von Besitzurkunden und Kaufverträgen, einen neuen Kaufvertrag, Korrespondenz mit dem Makler, abschließende Briefe. Weil das Geschäft in bar abgewickelt worden war, gab es keine Bankunterlagen.
Auf der linken Innenseite des Aktenordners befand sich das Journal, ein Vordruck, auf dem jeder Bestandteil der Akte mit Datum und kurzer Beschreibung eingetragen wurde. Anhand der Genauigkeit der Einträge im Journal ließ sich das Organisationsvermögen einer Sekretärin bei Drake & Sweeney beurteilen. Alles, was in die Akte aufgenommen wurde - jedes Stück Papier, jede Karte, jedes Foto, jede Grafik -, musste im Journal verzeichnet sein, das war uns in der Einarbeitungszeit eingehämmert worden. Die meisten hatten es auf die harte Tour lernen müssen: Es gab nichts Frustrierenderes, als eine dicke Akte durchzublättern und nach einem Dokument zu suchen, dessen Beschreibung im Journal nicht genau genug war. Der einschlägige Lehrsatz lautete: Wenn man es nicht innerhalb von dreißig Sekunden finden kann, ist es nutzlos.
Chances Akte war penibel geführt; seine Sekretärin war eine Frau, die auf Details achtete. Doch irgend jemand hatte sich daran zu schaffen gemacht.
Am 22. Januar war Hector Palma allein zum Lagerhaus gegangen, um es routinemäßig vor dem Kauf in Augenschein zu nehmen. Als er durch eine als Eingang gekennzeichnete Tür getreten war, hatten ihn zwei Straßenräuber überfallen, mit einem Stock niedergeschlagen, ihm ein Messer unter die Nase gehalten und sich mit seiner Brieftasche und seinem Geld aus dem Staub gemacht. Hector war am 23.
zu Hause geblieben und hatte den Überfall in einer Aktennotiz beschrieben. Der letzte Satz war: »Werde das Objekt am Montag, dem 27. Januar, in Begleitung eines Wachmanns besichtigen.« Die Aktennotiz war ordentlich eingeheftet.
Über seinen zweiten Besuch gab es jedoch keine Aktennotiz. Am 27. Januar dagegen war ins Journal eingetragen worden: »AN von HP - Objektbesichtigung, Inspektion des Geländes.«
Hector war am 27. in Begleitung eines Wachmanns zum Lagerhaus gegangen, hatte es besichtigt, zweifellos festgestellt, dass es bewohnt war, und eine Aktennotiz geschrieben, die, nach den anderen von ihm verfaßten Unterlagen zu urteilen, recht ausführlich gewesen war.
Diese Aktennotiz war entfernt worden. Das war natürlich kein Verbrechen - auch ich hatte zigmal irgendwelchen Akten
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