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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Kaffee wurden gebracht, und so entstand eine kurze Pause, in der wir das Gesagte und das weitere Vorgehen überdenken konnten. Hector hatte mir gerade zu verstehen gegeben, dass er in großen Schwierigkeiten steckte. Ein Lügendetektortest würde ihm das Genick brechen. Haben Sie Michael Brock gekannt, bevor er aus der Kanzlei ausschied? Haben Sie mit ihm über die fehlende Akte gesprochen? Haben Sie ihm Kopien von Schriftstücken aus der Akte gegeben?
    Haben Sie ihm geholfen, die Akte an sich zu bringen? Ja oder nein. Schwierige Fragen mit simplen Antworten. Er würde nicht lügen können. Er würde den Test nicht überstehen.
    »Sie nehmen auch Fingerabdrücke«, sagte er. Das sagte er leiser - nicht um das versteckte Mikrofon zu überlisten, sondern um den Schlag zu abzumildern.
    Es traf mich dennoch hart. Weder vor noch nach dem Diebstahl hatte ich jemals daran gedacht, dass ich überall meine Fingerabdrücke hinterließ. »Schön für sie«, sagte ich.

    »Den ganzen Nachmittag lang haben sie einen Fingerabdruck nach dem anderen gefunden. An der Tür, am Lichtschalter, am Aktenschrank. Jede Menge Fingerabdrücke.«
    »Hoffentlich finden sie den, der’s war.«
    »Es ist schon ein toller Zufall: Braden hatte über hundert aktuelle Akten in seinem Büro, und die einzige, die fehlt, ist die, auf die Sie so scharf waren.«
    »Was soll das heißen?«
    »Nur das, was ich gesagt habe. Ein toller Zufall.« Das war für die Ohren der Mithörer bestimmt.
    Ich fand, dass ich vielleicht auch ein bißchen schauspielern sollte. »Die Art, wie Sie das sagen, gefällt mir nicht«, schrie ich ihn fast an. »Falls Sie mir etwas vorwerfen wollen, dann gehen Sie zur Polizei und lassen Sie mich festnehmen. Falls nicht, behalten Sie Ihren Blödsinn für sich.«
    »Die Polizei ist ja schon eingeschaltet«, sagte er sehr kühl, und meine aufgesetzte Empörung fiel in sich zusammen. »Es geht immerhin um einen Diebstahl.«
    »Natürlich geht es um einen Diebstahl. Finden Sie den Dieb und verschwenden Sie Ihre Zeit nicht mit mir.«
    Er trank einen großen Schluck. »Hat Ihnen jemand die Schlüssel zu Bradens Büro gegeben?«
    »Selbstverständlich nicht.«
    »Man hat nämlich einen leeren Aktendeckel auf Ihrem Schreibtisch gefunden, zusammen mit einer Notiz, in der irgendwas von zwei Schlüsseln stand. Einer für die Tür und einer für einen Aktenschrank.«
    »Davon weiß ich nichts«, sagte ich so arrogant wie möglich, während ich versuchte, mich daran zu erinnern, wohin ich den Aktendeckel gelegt hatte. Die Indizien deuteten immer mehr auf mich. Ich hatte gelernt, wie ein Rechtsanwalt zu denken, nicht wie ein Verbrecher.
    Hector nahm noch einen großen Schluck. Ich nippte an meinem Kaffee.
    Er hatte genug gesagt. Die Botschaften waren übermittelt worden - eine von der Kanzlei, die andere von Hector. Die Kanzlei wollte die Akte zurück, und zwar vollständig, und Hector wollte mich wissen lassen, dass seine Beteiligung ihn den Job kosten konnte.
    Ich konnte ihn retten. Ich konnte die Akte zurückgeben, alles gestehen und Stillschweigen geloben. Wahrscheinlich würde die Kanzlei mir verzeihen. Niemand würde zu Schaden kommen. Ich konnte sogar die Bedingung stellen, dass Hector seinen Job behielt.
    »Sonst noch etwas?« fragte ich. Plötzlich hielt es mich nicht mehr hier.
    »Nein. Wann können Sie den Lügendetektortest machen?«
    »Ich rufe Sie an.«
    Ich nahm meinen Mantel und ging.

    SECHZEHN

    Aus Gründen, die ich bald verstehen sollte, hegte Mordecai eine heftige Abneigung gegen Washingtoner Polizisten, auch wenn die meisten davon Schwarze waren. Seiner Meinung nach war ihr Verhalten Obdachlosen gegenüber unnötig hart, und das war der Maßstab, nach dem er die Menschen beurteilte.
    Doch mit einigen Polizisten war er bekannt. Einer davon war Sergeant Peeler, den er mit den Worten charakterisierte, er sei »von der Straße«. In einem Jugendzentrum nicht weit von der Kanzlei arbeitete Peeler mit gefährdeten Jugendlichen, und außerdem gehörten Mordecai und er derselben Kirchengemeinde an. Peeler hatte Verbindungen und würde sie spielen lassen, damit ich Zugang zu meinem Wagen bekam.
    Am Samstag morgen kam er um neun in die Kanzlei. Mordecai und ich tranken gerade Kaffee und versuchten, uns zu wärmen. Peeler hatte samstags dienstfrei. Ich hatte den Eindruck, dass er gern länger im Bett geblieben wäre.
    Ich saß hinten. Mordecai fuhr den Wagen und redete in einem fort, während wir auf schnee- und eisglatten Straßen nach

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