Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
hinunter. In ein paar Tagen würde ich zurückkehren, um meine restlichen Sachen zu holen, und doch hatte ich das Gefühl, es sei das letzte Mal.
    Claire würde den Zettel lesen, in den Schränken und Schubladen nachsehen, was ich mitgenommen hatte, und sich dann, wenn feststand, dass ich tatsächlich ausgezogen war, ins Wohnzimmer setzen und ein paar Tränen vergießen. Vielleicht würde sie tatsächlich weinen. Aber sie würde schnell darüber hinwegkommen und sich in den nächsten Abschnitt ihres Lebens stürzen.
    Als ich davonfuhr, fühlte ich mich nicht befreit. Ich fand es nicht erregend, wieder alleinstehend zu sein. Claire und ich hatten beide verloren.

    SIEBZEHN

    Ich schloss mich im Büro ein. Es war Sonntag, und hier drinnen war es noch kälter als gestern. Ich trug einen dicken Pullover, eine Kordhose und Wintersocken und las die Zeitung an meinem Schreibtisch, auf dem eine dampfende Tasse Kaffee stand. Es gab eine Heizung, aber ich hatte nicht vor, an der Temperatureinstellung etwas zu ändern.
    Mir fehlte mein lederbezogener Chefsessel, auf dem ich nach Belieben wippen und herumrollen konnte. Mein neuer Bürosessel war nur wenig besser als ein Klappstuhl, wie man ihn für eine Gartenparty mieten würde. An guten Tagen würde er wohl nur unbequem sein, doch in meiner gegenwärtigen Verfassung war er das reinste Folterinstrument.
    Der Tisch war ramponiert und aus zweiter Hand. Er hatte ursprünglich vermutlich in einer Schule gestanden, war viereckig wie eine Schachtel und verfügte rechts und links über je drei Schubladen, die sich wirklich öffnen ließen, wenn auch nur unter Anwendung von Gewalt. Die beiden Stühle für die Mandanten waren tatsächlich Klappstühle - der eine war schwarz, der andere hatte eine grünliche Farbe, die ich noch nie zuvor gesehen hatte.
    Die Wände waren verputzt und vor Jahrzehnten gestrichen worden, doch inzwischen war aus dem ursprünglichen Weiß eine Art blasses Zitronengelb geworden. Der Putz hatte Risse, und in den oberen Ecken hatten Spinnen ihre Netze gespannt.
    Der einzige Wandschmuck war ein gerahmtes Plakat von 1988, das zu einem Marsch für Gerechtigkeit auf der Mall aufrief.
    Der Boden bestand aus uralten Eichendielen, deren Kanten abgeschliffen waren, was auf starke Beanspruchung in früheren Jahren hindeutete. Er war kürzlich gefegt worden. Besen und Kehrblech standen noch in der Ecke - ein zarter Wink.
    Wenn es mir hier zu schmutzig werden sollte, würde ich mich selbst darum kümmern müssen.
    Ach, wie tief war ich gefallen! Wenn mein lieber Bruder Warner mich so hätte sehen können - es war Sonntag, ich saß frierend an meinem jämmerlichen kleinen Schreibtisch, starrte auf die Risse im Putz und hatte die Tür verschlossen, damit meine potentiellen Mandanten nicht hereinkommen und mich ausrauben konnten
    -, dann hätte er mich mit so deftigen und ausgefallenen Schimpfwörtern bedacht, dass ich sie unbedingt hätte aufschreiben müssen.
    Die Reaktion meiner Eltern konnte ich mir nicht einmal vorstellen. Ich würde sie bald anrufen und ihnen den doppelten Schock meiner beiden Adressenänderungen versetzen müssen.
    Ein lautes Klopfen an der Tür jagte mir einen Heidenschreck ein. Ich fuhr hoch und wusste nicht, was ich tun sollte. Waren irgendwelche Straßenräuber hinter mir her? Während ich zur Tür ging, klopfte es wieder, und ich konnte eine Gestalt erkennen, die durch die Gitterstäbe und das dicke Glas der Vordertür zu spähen versuchte.
    Es war Barry Nuzzo. Er zitterte und hatte es eilig, in die Sicherheit des Büros zu kommen. Ich schloss auf und ließ ihn ein.
    »Was für ein Loch!« sagte er freundlich und sah sich um, während ich die Tür wieder abschloss.
    »Ein bißchen verstaubt, nicht?« sagte ich. Ich war vollkommen überrascht von seinem Erscheinen und fragte mich, was es zu bedeuten hatte.
    »Was für eine Bruchbude!« Er amüsierte sich über die Räumlichkeiten, trat an Sofias Schreibtisch und zog langsam die Handschuhe aus, berührte jedoch nichts, aus Angst, eine Aktenlawine auszulösen.
    »Wir halten die laufenden Kosten so niedrig wie möglich, damit wir mehr Geld nach Hause tragen können«, sagte ich. Es war ein alter Witz bei Drake & Sweeney.
    Die Teilhaber nörgelten ständig wegen der hohen laufenden Kosten, dabei dachten die meisten ununterbrochen über die Ausstattung ihrer Büros nach.
    »Dann hast du also wegen des Geldes gewechselt?« fragte er, noch immer amüsiert.
    »Natürlich.«
    »Du bist verrückt.«
    »Ich

Weitere Kostenlose Bücher