Der Verrat
gesicherte Tür öffnete sich einen Spaltbreit, und ein Mann in meinem Alter und mit etwas Mayonnaise im Mundwinkel sagte: »Was wollen Sie?«
Ich erzählte meine Bob-Stevens-Geschichte. Er hörte aufmerksam zu, während hinter ihm der Fernseher lief und Kinder im Wohnzimmer herumtobten. Es war nach acht, es war dunkel und kalt, und ich hatte beim Abendessen gestört.
Doch er war nicht unfreundlich. »Ich kannte ihn überhaupt nicht«, sagte er.
»Und seine Frau?«
»Auch nicht. Ich muss viel reisen. Die meiste Zeit bin ich nicht da.«
»Kannte Ihre Frau die Palmas?«
»Nein.« Das sagte er zu schnell.
»Haben Sie oder Ihre Frau gesehen, wie die Palmas umgezogen sind?«
»Letztes Wochenende waren wir nicht da.«
»Und Sie haben keine Ahnung, wohin sie gezogen sind?«
»Nein.«
Ich bedankte mich bei ihm, drehte mich um und stand vor einem bulligen Mann in der Uniform des Sicherheitsdienstes, der sich wie die Karikatur eines Streifenpolizisten in einem Film mit dem Schlagstock in die linke Hand klatschte. »Was machen Sie hier?« knurrte er.
»Ich suche jemanden«, sagte ich. »Stecken Sie das Ding weg.«
»Hausierer sind hier unerwünscht.«
»Sind Sie taub? Ich hausiere nicht, ich suche jemanden.« Ich ging an ihm vorbei in Richtung Parkplatz.
»Wir haben eine Beschwerde bekommen«, rief er mir nach. »Sie müssen gehen.«
»Ich gehe ja schon.«
Mein Abendessen bestand aus einem Taco und einem Bier in einem Restaurant in der Nähe. Beim Essen fühlte ich mich in den Vororten sicherer. Es war ein gepflegtes Lokal und gehörte zu einer landesweiten Kette, die mit hübschen Gaststätten für die ganze Familie reich geworden war. Das Publikum bestand hauptsächlich aus jungen Staatsangestellten, die noch auf dem Heimweg waren und sich über Politik unterhielten, Bier vom Faß tranken und lautstark ein Baseballspiel im Fernsehen kommentierten.
An die Einsamkeit musste ich mich erst noch gewöhnen. Ich hatte Frau und Freunde hinter mir gelassen. Die sieben Jahre in der Tretmühle von Drake & Sweeney waren nicht dazu angetan gewesen, Freundschaften - oder meine Ehe - zu pflegen. Ich war zweiunddreißig Jahre alt und schlecht vorbereitet auf ein Leben als Junggeselle. Ich sah das Baseballspiel und die Frauen und fragte mich, ob ich von nun an in Bars und Nachtklubs würde gehen müssen, um Gesellschaft zu finden. Es musste doch auch andere Orte und Methoden geben.
Deprimiert ging ich hinaus.
Ich fuhr langsam in die Stadt, denn ich hatte es nicht eilig, in meine Wohnung zu kommen. Mein Name stand auf einem Mietvertrag, und ich nahm an, dass die Polizei wenig Mühe haben würde, meine neue Adresse herauszufinden. Wenn sie mich verhafteten, würden sie sicher mitten in der Nacht kommen. Es würde ihnen Spaß machen, mich einzuschüchtern, indem sie mich um Mitternacht aus dem Bett holten, mich bei der Leibesvisitation ein bißchen hart anfassten und die Handschellen eng anlegten, mich in den Flur stießen und im Aufzug nach unten in den Polizeigriff nahmen, mich auf den Rücksitz eines Streifenwagens verfrachteten und ins Polizeigefängnis brachten, wo ich der einzige Weiße mit einem Job sein würde, der in dieser Nacht verhaftet worden war. Sie würden mich nur zu gern mit ein paar üblen Burschen in eine Zelle sperren, wo ich vollkommen auf mich allein gestellt sein würde.
Zwei Dinge hatte ich immer bei mir: ein Handy, damit ich im Falle meiner Verhaftung sofort Mordecai anrufen konnte, und ein Bündel Geldscheine - zwanzig Hunderter -, damit ich Kaution stellen und auf freien Fuß kommen konnte, bevor ich auch nur in die Nähe des Polizeigefängnisses kam.
Ich parkte zwei Blocks entfernt und achtete auf etwaige verdächtige Gestalten in anderen Wagen am Straßenrand. Kurz darauf betrat ich meine Wohnung unbehelligt und als freier Mann.
Mein Wohnzimmer war inzwischen mit zwei Gartenstühlen und einer Vorratskiste aus Plastik ausgestattet, die als Couchtisch und Fußschemel diente. Der Fernseher stand ebenfalls auf einer Vorratskiste. Die Spärlichkeit der Einrichtung gefiel mir, doch ich war entschlossen, sie niemandem zu zeigen.
Niemand sollte sehen, wie ich lebte.
Meine Mutter hatte angerufen. Ich hörte mir ihre Nachricht an. Mein Vater und sie machten sich Sorgen um mich und wollten mich besuchen. Sie hatten die Sache mit meinem Bruder Warner besprochen, und er würde vielleicht ebenfalls kommen.
Ich konnte beinahe hören, wie sie mein neues Leben bewerteten. Jemand musste mich zur Vernunft
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