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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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eigenartig an. »Könnten Sie das wiederholen?«
    »Sie wollen Terrence sehen, stimmt’s?«
    »Ja.«
    »Dann müssen sie die Finger von den Drogen lassen.«
    »Ja.«
    »Dazu müssen Sie für eine Weile in einer Entzugsklinik leben. Wären Sie dazu bereit?«
    »Vielleicht«, sagte sie. »Nur vielleicht.«
    Es war ein kleiner, aber bedeutender Schritt.

    »Ich kann Ihnen helfen, Terrence wiederzusehen, und Sie können wieder einen Platz in seinem Leben einnehmen. Aber zuerst müssen Sie clean werden und bleiben.«
    »Wie soll ich das machen?« fragte sie und schaffte es nicht, mir in die Augen zu sehen. Sie hielt den Kaffeebecher in beiden Händen. Vor ihrem Gesicht stieg Dampf auf.
    »Gehen Sie nachher wieder zu Naomi?«
    »Ja.«
    »Ich habe mit der Direktorin gesprochen. Es gibt heute zwei Gruppensitzungen -
    Alkoholiker und Drogensüchtige. Ich will, dass Sie an beiden teilnehmen. Die Direktorin wird mich anrufen.«
    Sie nickte wie ein gescholtenes Kind. Im Augenblick wollte ich keinen weiteren Druck ausüben. Sie aß ihre Donuts, trank ihren Kaffee und hörte wie gebannt zu, während ich einen Artikel nach dem anderen vorlas. Für Auslandsnachrichten und Sport hatte sie wenig übrig, aber der Lokalteil interessierte sie. Vor vielen Jahren war sie einmal zur Wahl gegangen, und was im Rathaus geschah, war nicht kompliziert. Den Nachrichten über Verbrechen lauschte sie verständnisvoll.
    Ein langer Leitartikel zog über den Kongress und die Stadtverwaltung her, weil sie keine Mittel für die Obdachlosen bereitstellten. Der Verfasser prophezeite weitere Todesfälle. Weitere Kinder würden auf unseren Straßen sterben, im Schatten des Capitols. Ich fasste den Inhalt kurz zusammen, und Ruby war mit allem einverstanden.
    Ein leichter, gefrierender Regen hatte eingesetzt, und so fuhr ich Ruby zu ihrer nächsten Station. Naomis Frauenzentrum war ein vierstöckiges Reihenhaus in der 10th Street und umgeben von ähnlichen Gebäuden. Es war von sieben bis vier Uhr geöffnet und bot Essen, Duschen, Kleidung, gemeinsame Tätigkeiten und Beratung für alle obdachlosen Frauen, die den Weg dorthin fanden. Ruby ging regelmäßig dorthin und wurde bei unserem Eintreffen von ihren Freundinnen herzlich begrüßt.
    Ich hatte eine leise geführte Unterredung mit der Direktorin, einer jungen Frau namens Megan. Wir verabredeten, Ruby von den Drogen abzubringen. Megan sagte, die Hälfte der Frauen sei geistesgestört oder süchtig, ein Drittel sei HIV
    positiv. Soweit sie wisse, habe Ruby keine ansteckenden Krankheiten.
    Als ich ging, hatten sich die Frauen im Aufenthaltsraum versammelt und sangen.
    Ich saß am Schreibtisch und hatte mich in die Arbeit vertieft, als Sofia anklopfte und eintrat, bevor ich Zeit hatte, »Herein« zu rufen.
    »Mordecai hat mir erzählt, dass Sie jemanden suchen«, sagte sie. Sie hielt einen Block in der Hand, bereit, sich Notizen zu machen.
    Ich überlegte einen Augenblick. Dann fiel mir Hector ein. »Ja, das stimmt.«
    »Ich kann Ihnen vielleicht helfen. Erzählen Sie mir alles, was Sie über ihn wissen.« Sie setzte sich und schrieb alles auf: Name, Adresse, Adresse des letzten Arbeitgebers, Personenbeschreibung und die Tatsache, dass er Frau und vier Kinder hatte.
    »Alter?«
    »Etwa dreißig.« ;
    »Ungefähres Einkommen?«
    »Fünfunddreißigtausend.«
    »Bei vier Kindern kann man annehmen, dass mindestens eins in der Schule ist. Und bei diesem Einkommen und einer Adresse in Bethesda ist es unwahrscheinlich, dass es eine private Schule ist. Er ist spanischer Abstammung, also vermutlich katholisch. Noch etwas?«

    Mir fiel nichts mehr ein. Sie ging hinaus, setzte sich an ihren Tisch und begann in einem dicken Ringbuch zu blättern. Ich ließ die Tür offen, damit ich sie sehen und hören konnte. Zuerst rief sie jemanden bei der Post an, verfiel aber sogleich ins Spanische, das ich nicht verstand. Sie machte einen Anruf nach dem anderen. Sie meldete sich auf Englisch, ließ sich durchstellen und sprach dann nur noch Spanisch. Ein Gesprächspartner war jemand von der Erzdiözese, und danach folgte eine Reihe kurzer Telefonate. Ich verlor das Interesse.
    Eine Stunde später kam sie an meine Tür und sagte: »Die Familie ist nach Chicago gezogen. Brauchen Sie die Adresse?«
    »Wie haben Sie …?« Ich sprach den Satz nicht zu Ende und starrte sie ungläubig an.
    »Fragen Sie lieber nicht. Der Freund eines Freundes gehört zu ihrer Kirchengemeinde. Sie sind letztes Wochenende in aller Eile umgezogen. Brauchen

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