Der Verrat
das?« Reiko hielt vor Aufregung den Atem an.
»Vor drei Tagen.«
Reiko spürte ein berauschendes Gefühl, wie stets bei erfolgreichen Ermittlungen. Wisterie war in diesem Badehaus gewesen, nachdem sie aus Yoshiwara verschwunden war! Reiko hatte einen ersten flüchtigen Blick auf jene Spur werfen können, die Kurtisane Wisterie hinterlassen hatte.
»Wie heißt der Besitzer des Badehauses?«, fragte Reiko, begierig, den Namen des Mannes zu erfahren, der mit Wisteries Verschwinden zu tun haben konnte und vielleicht in Fürst Mitsuyoshis Ermordung verwickelt war.
Yuya setzte zu einer Antwort an, dann aber ließ ihre Angst sie verstummen. »Warum wollt Ihr das wissen? Ich dachte, Ihr interessiert Euch für Wisterie.«
»Sie könnten Zeugen in einem Mordfall sein«, erklärte Reiko. »Ich muss erfahren, was sie gesehen haben.«
»Ihr meint, der Besitzer hat den Erben des Shōgun ermordet?« Yuya legte ihre Tabakspfeife langsam auf den Tisch, um sich im Notfall verteidigen zu können, wollte aber nicht, dass Reiko ihre Angst bemerkte.
»Erzählt mir alles, was Ihr gehört habt, als sie hier waren.«
»Ich habe nichts gehört«, erwiderte Yuya. »Sie gingen ins Schlafgemach. Ich konnte nicht verstehen, was sie gesprochen haben.«
Reiko spürte, dass Yuya log. »Sprachen sie über Fürst Mitsuyoshi?«
»Das weiß ich nicht. Ich habe doch gesagt, dass ich nichts verstehen konnte. Aber ich weiß, wer Ihr seid. Ich habe von Euch gehört. Ihr seid die Gemahlin des sōsakan-sama .« Yuya rückte entsetzt von Reiko ab, als ihr plötzlich ein Licht aufging. »Ihr werdet Eurem Mann erzählen, was ich gesagt habe, und dann wird er Jagd auf meinen Herrn machen.«
»Haben sie gesagt, wer ihn getötet hat?«, beharrte Reiko.
Yuya stieß ein nervöses Lachen aus. Sie schüttelte den Kopf, stand auf und hielt Reiko die Handflächen entgegen. »Ich will da nicht hineingezogen werden. Ihr habt mich nach Wisterie gefragt, und ich habe Euch geantwortet. Mehr gibt es nicht zu sagen.«
»Bitte«, sagte Reiko verzweifelt. Sie war der Wahrheit über das Verbrechen und Sanos Rettung so nahe gewesen und sah nun ihre Chancen schwinden. Sie erhob sich und flehte Yuya förmlich an: »Ihr müsst es mir sagen. Wo ist Euer Herr jetzt?«
»Ich weiß es nicht. Er ist am nächsten Morgen mit Wisterie fortgegangen.«
»Wohin?«
»Ich habe keine Ahnung!« Yuya ging rückwärts auf die Tür zu.
Draußen rief eine barsche Männerstimme nach ihr. »Yuya! Hier ist ein Kunde für dich.«
Yuya zuckte zusammen. Sie riss ihre geschwollenen Augen weit auf. »Das ist der Aufseher. Ich muss zurück an die Arbeit«, sagte sie zu Reiko und streckte die Hand aus. »Gebt mir mein Geld und geht.«
»Es ist wichtig!«, sagte Reiko drängend. »Es geht um Leben und Tod!«
Sie ergriff Yuyas Arm. Die Prostituierte schrie auf und schlug nach ihr.
»Was geht da vor?«, rief der Aufseher, und Männer in den angrenzenden Räumen brüllten Flüche. Reiko, die befürchtete, einen Tumult auszulösen, ließ Yuya los und gab ihr das Geld.
»Gebt Acht«, zischte Yuya mit vor Furcht funkelnden Augen. »Diese Schurken sind gefährlich, wenn ihnen jemand im Weg steht. Mein Herr und Wisterie hatten einen schlimmen Streit, als sie hier waren. Ich habe gehört, wie sie einander anschrien. Es hörte sich an, als wollte er sie umbringen. Wenn er herausfindet, was ich Euch gesagt habe, wird er mich töten.«
Erregung packte Reiko, denn dieser offenbar gewalttätige Mann konnte die Antwort auf Sanos Probleme sein. »Danke für die Hilfe«, sagte sie. »Wenn Euer Herr zurückkommt oder wenn Ihr erfahrt, wo er ist, werdet Ihr es mir sagen? Ich gebe Euch noch mehr Geld.«
Yuya nickte eine Spur zu schnell, als würde sie allem zustimmen, nur um Reiko loszuwerden.
»Schickt mir eine Nachricht in den Palast zu Edo«, sagte Reiko, dann eilte sie an den tätowierten Männern vorbei, die sie mit begierigen Blicken musterten, und eilte aus dem Badehaus und zum Hauptmann ihrer Leibgarde, der auf der Straße auf sie wartete. Er begleitete sie zurück zur Sänfte. Reiko stieg ein und wies ihre Eskorte an, sie nach Hause zu bringen. Sie musste Sano schnellstens berichten, was sie entdeckt hatte, damit er die Suche nach dem neuen Verdächtigen aufnehmen konnte.
30.
I
ch darf nicht hereinkommen? Wie soll ich das verstehen?«, fragte Hirata.
»Für den sōsakan-sama und sein Gefolge ist der Zutritt zum Palast verboten«, erwiderte der Wachposten vor der Tür zu den
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