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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rowland
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meine Schuld. Ich hätte mich zügeln müssen.« Als Midori ihr tränennasses Gesicht auf seine Hand drückte, wurde ihm das Herz schwer. Sie würde noch mehr leiden als er selbst, wenn sie ein uneheliches Kind zur Welt brachte. Er hatte Angst um dieses Kind, dessen Zukunftsaussichten düster waren.
    »Was sollen wir tun?«, jammerte Midori.
    Obwohl ihre Lage nie zuvor schlimmer gewesen war, keimte in Hirata ein Hauch von Hoffnung. »Wir werden einen Weg finden«, versprach er. »Das Kind ist der Beweis, dass wir füreinander bestimmt sind.«
    »Sind wir das wirklich?« Midori schaute ihn sehnsüchtig an.
    »Ja«, sagte Hirata entschlossen. »Unsere Liebe ist stärker als alles andere. Bald werden wir heiraten. Ich verspreche es dir.«
    Auf Midoris Gesicht wechselten Zweifel und Hoffnung. »Aber wie willst du das anstellen?«
    »Zuerst werde ich Beweise suchen, um den Namen des sōsakan-sama reinzuwaschen«, erwiderte Hirata. »Und dann wird sich alles zum Guten wenden.«
    Er hätte sich gewünscht, mehr an die eigenen Worte zu glauben. Doch wenn es ihm gelang, dafür zu sorgen, dass Sano wieder die Gunst des Shōgun gewann, würden alle anderen Probleme, die einer Heirat mit Midori im Weg standen, sich von selbst lösen.
    »Ich muss jetzt fort und die Ermittlungen weiterführen«, sagte er. »Sobald ich kann, komme ich mit guten Nachrichten zurück.«
    Hirata zog seine Hand durch die Gitterstäbe. Midori ließ ihn zögernd los, als fürchtete sie, ihn niemals wiederzusehen.
     
    Begleitet von zwei Ermittlern, traf Hirata in Yoshiwara ein, als die Feste und Feierlichkeiten in vollem Gange waren. Sie befragten die Kurtisanen, denen Fürst Mitsuyoshi vorgegaukelt hatte, sie zu heiraten, doch sie alle konnten beweisen, dass sie sich in der Nacht, in der Mitsuyoshi im Owariya starb, woanders aufgehalten hatten. Als Hirata und die beiden Ermittler das Bordell schließlich verließen, hatte es aufgehört zu regnen. Das Licht der Laternen verlieh den nassen Dachziegeln und Straßen einen goldenen Schimmer. Diener, die Tabletts mit Speisen aus den Kochstuben in die Bordelle und Teehäuser brachten, eilten durch die aufgeregte, lärmende Menge der Vergnügungssuchenden. Dienstmädchen führten Kunden zu den Bordellen. Ein Verkäufer bot Reiskekse mit Liebesgedichten feil.
    Als Hirata sich dem Owariya näherte, kam eine Kurtisane mit ihren Mädchen zur Tür. Er hatte das sonderbare Gefühl, die Zeit wäre zurückgedreht worden und die Kurtisane wäre Wisterie, die zu ihrer Verabredung mit Fürst Mitsuyoshi eilte.
    Dieser Eindruck verstärkte sich, als Hirata das Owariya betrat, in dem ein Fest gefeiert wurde. Es waren nicht dieselben Gäste anwesend wie an jenem Tag, als Mitsuyoshi starb, und der hokan , der für sie sang, war nicht Fujio, doch Hirata erkannte die Kurtisanen wieder, die er am Morgen nach dem Verbrechen befragt hatte. Eine magische Tür zur Vergangenheit hatte sich geöffnet, und Hiratas Herz schlug schneller, als ihn die Ahnung überkam, dass er heute Abend neue und wichtige Beweise finden würde.
    Der Besitzer schritt durch den Gesellschaftsraum und plauderte mit den Gästen. Hirata ging zu dem untersetzten, grauhaarigen Mann.
    »Guten Tag, Herr«, begrüßte der Besitzer ihn mit einem unsicheren Lächeln.
    »Ich möchte wissen, ob Ihr oder Eure Bediensteten sich an Einzelheiten jener Nacht erinnern, als Fürst Mitsuyoshi starb«, sagte Hirata.
    Der Mann zuckte zusammen und ließ den Blick durch den Raum schweifen. Offensichtlich gefiel es ihm nicht, das Fest durch ein Gespräch über einen Mord zu verderben. »Das habe ich Euch doch schon gesagt. Ich habe mich mit den Gästen unterhalten und nichts Ungewöhnliches gesehen oder gehört. Ich würde Euch ja gern helfen, aber ich fürchte, ich kann es nicht.«
    Hirata und seine Ermittler befragten die Kurtisanen und die Bediensteten des Owariya. Alle sagten aus, sich an nichts erinnern zu können. Hirata sah seine Hoffnungen schwinden und dachte sehnsüchtig an Midori und ihre Heirat, die nun wieder in schier unerreichbare Ferne gerückt war. Als er über seinen nächsten Schritt nachdachte, spürte er plötzlich, dass er beobachtet wurde. Er drehte sich um und sah in einer Tür, die zur Rückseite des Hauses führte, ein junges Mädchen stehen, das einen mit Kiefernzweigen bedruckten Kimono trug. Ihre Blicke trafen sich, und Hirata erkannte Chidori wieder, die kamuro , die Wisterie gedient hatte. Ihr Gesicht war aschfahl vor Angst. Sie wirbelte herum und floh.

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