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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rowland
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Hausbooten. Dahinter breitete sich, verborgen hinter einem Schleier aus Rauch und Graupel, der andere Teil des Elendsviertels aus. Reiko roch den Fischgestank des Kanals und erblickte eine umherstreifende Horde Straßenschläger, die eiserne Keulen mit sich führten. Sie lehnte sich aus dem Fenster und versuchte, ihr Zittern zu unterdrücken.
    »Haltet an der nächsten Straßenecke«, befahl sie ihrer Eskorte.
    Die Männer befolgten den Befehl. Die Träger setzten die Sänfte ab. Reiko zog die Kapuze ihres Umhangs vom Kopf und trat hinaus in den Nieselregen. Sie zögerte, einen Fuß auf dieses feindliche Gebiet zu setzen. Doch wenn sie Informationen wollte, die Sano retten konnten, musste sie diese Gefahr auf sich nehmen. Der Dolch, der unter ihrem Ärmel festgeschnallt war, verlieh ihr ein wenig Sicherheit.
    »Folgt mir in einigem Abstand«, befahl sie dem Hauptmann ihrer Eskorte. »Und dann wartet ein Stück vom Badehaus entfernt auf mich.« Reiko glaubte, dass Yuya eher mit ihr sprechen würde, wenn sie nicht durch Soldaten eingeschüchtert wurde. »Sobald ich das Badehaus betreten habe, zählt Ihr bis fünfhundert. Bin ich bis dahin nicht zurück, holt Ihr mich heraus.«
    Der Hauptmann verneigte sich und nickte. Reiko machte sich allein auf den Weg, an Bogengängen vorbei, die zu den zahlreichen dunklen Gassen führten, in denen schmutzstarrende Hütten standen, von deren Mauern der Putz bröckelte. Aus Fenstern und Türen drangen die schrillen, keifenden Stimmen der Bewohner. Ranzige Küchengerüche vermischten sich mit dem Gestank von Exkrementen. Keiner der Leute, an denen Reiko vorüberging, schien Notiz von ihr zu nehmen, doch ihr entgingen die verstohlenen Blicke trotzdem nicht.
    Reiko trat durch ein Tor in eine Straße, an der sich Häuser reihten, deren Fenster vergittert waren und deren Eingänge ein Stück von der Straße entfernt lagen. Ein zerfetztes blaues Tuch über einem Eingang trug das weiße Zeichen für heißes Wasser. Über einem Dach stieg Rauch auf und legte sich auf die Ziegel. Feuchtigkeit tropfte von den Dachvorsprüngen. Mürrisch blickende Männer lungerten vor dem Badehaus. Reiko klopfte an die Tür. Sogleich wurde ihr von einer jungen Frau geöffnet. Sie war barfuß und trug ein geblümtes Kleid, das sie vor ihrem üppigen Körper zusammenhielt. Ihr Haar war unordentlich zusammengesteckt.
    »Dieses Badehaus ist Männern vorbehalten«, sagte sie mit einem neugierigen Blick auf Reiko.
    »Ich möchte nicht baden. Ich suche Yuya«, erklärte Reiko.
    Die Neugier der Frau verwandelte sich in Argwohn. »Ich bin Yuya.« Sie hatte ein rundes Gesicht mit vollen Wangen, spitzem Kinn und einem Schmollmund mit rot angemalten Lippen. Ihre feuchte Haut besaß die weiße Farbe von altem Tofu. Ihre Augen, die wachsam und durchdringend unter gedunsenen Lidern funkelten, musterten Reiko misstrauisch. »Wer seid Ihr?«
    »Mein Name ist Reiko.«
    »Was wünscht Ihr?«
    »Ich möchte mit Euch sprechen.«
    Yuyas feindseliger Blick glitt über die Besucherin. »Nein«, stieß sie hervor und schickte sich an, die Tür zu schließen.
    »Ich gebe Euch Geld«, sagte Reiko, griff in ihren Ärmel und zog das Bündel hervor, das sie dort versteckt hatte. Als sie es öffnete, kamen die Silbermünzen zum Vorschein. Yuya starrte voller Gier auf das Geld, dann streckte sie die Hand nach den Münzen aus, doch Reiko hielt sie so, dass Yuya sie nicht zu fassen bekam.
    »Erst wenn wir geredet haben«, erklärte sie.
    Die Frau verzog ihren roten Mund und murmelte unwillig: »Kommt herein.«
    Als Reiko mit Yuya das Badehaus betrat, spähte Reiko zu ihrem Wachposten neben dem nächsten Tor hinüber. An Orten wie diesem lebte die Gefahr, und sie fühlte sich nicht wohl in ihrer Haut. In der dunklen Gasse hinter dem Eingang stank es nach Urin. Eine geöffnete Tür gab den Blick auf tätowierte Schläger und Halsabschneider frei, die in einer Ecke saßen, sowie auf einen großen, im Boden eingelassenen Badezuber. Nackte Paare streichelten einander in dem heißen Wasser. Die Männer stöhnten lustvoll, während die sichtlich gelangweilten Frauen keinen Laut von sich gaben. Stöhnen und dumpfe Geräusche, die aus abgetrennten Räumen drangen, wiesen auf andere Liebespaare hin, die sich vergnügten. Während Reiko versuchte, ihre Bestürzung zu verbergen, grinste Yuya sie höhnisch an.
    »Ihr seid nie zuvor in einem öffentlichen Badehaus gewesen, nicht wahr?«, stellte sie fest und nickte wissend. »Keines der Mädchen tut mehr

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