Der Verrat
gesucht. Und sie haben alle Leute hier durch Drohungen zum Schweigen gebracht.«
»Ich weiß, wo wir es noch versuchen können«, erwiderte Sano und bemühte sich, seine Enttäuschung zu verbergen.
Erst ein Tag war vergangen, seit der Shōgun ihn des Mordes und Verrats beschuldigt hatte, doch die Zeit lief ihm davon. Je länger Sano brauchte, um den Fall zu lösen, desto bessere Aussichten hatte Polizeikommandeur Hoshina, Sanos Ruf zu ruinieren und weitere gefälschte Beweise gegen ihn zu erfinden. Und Sano bezweifelte stark, dass es ihm gelang, seine Ermittlungen auf Himmelsfeuer zu konzentrieren. Wenn trotz aller Indizien, die auf Himmelsfeuers Schuld hindeuteten, jemand anders der Mörder Mitsuyoshis war, verschwendete Sano nur kostbare Zeit. Im Augenblick aber hielt er Himmelsfeuer für den Hauptverdächtigen.
Er führte seine Ermittler durch ein Labyrinth von Gassen, die den Markt umgaben. In verfallenen Gebäuden waren Läden untergebracht, die vom Fischhandel lebten. Arbeiter drängten sich in Nudelküchen und Sushi-Restaurants. Geschäfte, in denen Netze, Eimer und Fischereigerät verkauft wurden, hatten ihre Waren bis auf die Straßen ausgebreitet. Schließlich blieb Sano vor einem Teehaus stehen und gab Hirata und zwei Ermittlern ein Zeichen, sich auf die Rückseite des Gebäudes zu begeben. Sano und die drei anderen Ermittler zogen ihre Schwerter und duckten sich unter dem blauen Vorhang des Eingangs.
Drei Männer im Teehaus sprangen auf. Alle waren nachlässig gekleidet. Der einzige Samurai unter ihnen stürmte aus einer Hintertür, während seine Kumpane ihre Dolche zogen und sich drohend Sano und dessen Ermittlern näherten. Ein Dienstmädchen ließ schreiend ein Tablett mit Sakeschalen fallen und suchte in einer Ecke Deckung.
»Lasst die Waffen fallen, dann geschieht euch nichts«, rief Sano.
Die Schurken starrten den sōsakan-sama finster an und bereiteten sich auf einen Kampf vor, als die anderen Ermittler plötzlich durch die Hintertür ins Teehaus stürmten. Sie packten die Schurken und entrissen ihnen die Dolche. Kurz darauf folgte Hirata mit dem Samurai, der die Flucht ergriffen hatte. Der Mann war bereits entwaffnet und versuchte verzweifelt, sich aus Hiratas eiserner Umklammerung zu befreien.
»Dann wollen wir mal sehen, wen wir da haben«, sagte Sano. Obwohl Himmelsfeuers Beschreibung auf keinen der Männer passte, hatte die Durchsuchung des Teehauses sich dennoch gelohnt. »Das ist Hauptmann Noguchi, der einstige Waffenmeister des Palasts zu Edo«, sagte Sano. »Ich habe Euch gesucht, Noguchi.«
Hauptmann Noguchi war ein hagerer Mann, dessen wilde, unerschrockene Augen Sano mit feindseligem Blick musterten. »Sagt Eurem Lakaien, er soll mich loslassen«, verlangte er.
»Was ist? Habt Ihr Angst vor der Strafe, weil Ihr Waffen aus der Tokugawa-Rüstkammer gestohlen und sie der Sekte der Schwarzen Lotosblüte verkauft habt?«, fragte Sano. »Habt Ihr geglaubt, Ihr könntet Euch für immer verstecken?«
Obwohl die meisten überlebenden Anhänger der Schwarzen Lotosblüte gefasst worden waren, befanden einige sich noch immer auf freiem Fuß, und Sano setzte alles daran, endgültig mit diesem Abschaum aufzuräumen.
»Ich bin dem wahren Weg des Schicksals gefolgt.« Noguchis Augen funkelten fanatisch. »Ich bin ein unschuldiges Opfer Eurer Verfolgung. Ihr seid der teuflische Zerstörer, der alle meine Leute vernichten und die Welt zu ewigem Leid verdammen will.«
»Verschont uns mit Euren Weisheiten.« Sano fiel eine Wunde unterhalb von Noguchis Schlüsselbein auf. Er riss den Kimono des Mannes auf und entdeckte vernarbtes Gewebe, das noch Spuren vom Symbol der Schwarzen Lotosblüte erkennen ließ, darunter war die Tätowierung eines Drachen zu sehen.
»Ihr seid also dem Mori-Klan beigetreten.« Sano erkannte das Zeichen der Bande. »Wo ist Himmelsfeuer?«
»Weiß ich nicht«, zischte Noguchi zornig.
Sanos Hand schoss nach vorn, umklammerte die Kehle des Mannes und drückte fest zu. »Ist er hier gewesen?«
Noguchi krümmte sich vor Schmerz und riss sich los, doch Hirata packte ihn blitzschnell. Obwohl Sano Zeugen gegenüber nur ungern Gewalt anwendete, hatte er wenig Bedenken, diesen Mann unter Druck zu setzen. Schließlich hatte Noguchi Waffen des Shōgun gestohlen – jene Waffen, die beim Massaker im Tempel der Schwarzen Lotosblüte so viele Menschenleben gefordert hatten. Überdies hoffte Sano, über Noguchi an den Mori-Klan heranzukommen, und er hatte weder die Zeit noch die
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