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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rowland
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sich, während Reikos Prozession hinter der Nachhut des daimyō das Tempo verlangsamte.
    Yuya entfuhr ein erleichterter Seufzer, und sie entspannte sich ein wenig. Doch dieser winzige Mangel an Selbstkontrolle ließ Reiko endlich die Wahrheit erkennen.
    Yuya führte sie auf eine endlose Reise! Falls sie jemals ein Gasthaus erreichten, würden sie dort keine Wisterie antreffen, und Yuya würde behaupten, die Kurtisane sei davongelaufen. Yuya freute sich nun über die Verzögerung, weil sie den Betrug so lange wie möglich aufrechterhalten wollte.
    »Eure Geschichte über Wisterie ist eine Lüge«, sagte Reiko – von ihrer Äußerung überzeugt. »Nichts weiter als eine Täuschung.«
    »Wie kommt Ihr darauf?« Yuya blickte sie ungläubig an. »Warum sollte ich Euch hereinlegen?«
    Plötzlich nahmen die bisher verschwommenen Ängste Reikos deutliche Gestalt an. Begebenheiten, denen sie bis jetzt keinerlei Bedeutung beigemessen hatte, bekamen einen Sinn. Yuyas plötzliche Bereitschaft, ihr zu helfen; eine unerwartete Freundschaft zu einem günstigen Zeitpunkt, sonderbares Benehmen und eine großzügige Geste mit einem versteckten Motiv – all das verband sich mit Reikos Erinnerung an O-hana, die in der Tür gestanden hatte, als sie, Reiko, das Haus verließ. Ihr Verstand füllte die Lücken, die ihre Unwissenheit hinterließ, und ließ das Bild eines geschickten Betruges erkennen.
    »Ihr wolltet mich von zu Hause weglocken«, stellte Reiko wie gelähmt fest. »Wie viel hat sie Euch bezahlt?«
    »Wer? Ich weiß gar nicht, wovon Ihr sprecht.«
    Doch in Yuyas Augen spiegelte sich Schuld, sie setzte sich kerzengerade hin. Jetzt begriff Reiko, dass die Gefahr, die sie gewittert hatte, nicht hier und nicht ihr drohte. Sie war niemals das direkte Ziel der Boshaftigkeiten gewesen. Die furchtbare Wahrheit versetzte sie in Angst und Schrecken.
    Reiko umklammerte Yuyas Handgelenk und fragte: »Was tut sie, während Ihr mich beschäftigt?«
    »Lasst mich los!«, schrie Yuya. »Ihr redet Unsinn. Warum greift Ihr mich an? Seid Ihr verrückt geworden?«
    »Sagt es mir!«, rief Reiko, von wilder Panik erfasst.
    Ermittler Marume ritt an die Sänfte heran und blickte durchs Fenster. »Was ist los? Reiko- san , ist alles in Ordnung?«
    »Haltet an!«, rief sie Marume zu.
    Die Sänftenträger blieben stehen. Yuya entwand sich Reikos Griff, stieß die Tür der Sänfte auf und sprang hinaus. Als sie die breite Straße hinunterlief, wollten die Soldaten ihr folgen.
    »Kümmert euch nicht um sie«, sagte Reiko. »Bringt mich nach Hause! Rasch!«
    Die Gruppe schlug die Richtung zum Palast zu Edo ein. Verzweifelt saß Reiko in der Sänfte. In ihrem Herzen regte sich die Angst, einen Fehler zu machen. Andererseits ließ die Gewissheit, Recht zu haben – auch wenn Beweise fehlten –, sie am ganzen Leib zittern.
    Reiko betete, rechtzeitig zu Hause anzukommen, um eine Katastrophe zu verhindern.

32.

     
    H
    immelsfeuer und der Mori-Klan sind auf der Flucht«, sagte Sano zu Hirata, als sie über die Ryōgoku-Brücke ritten, die Edo mit den Vororten östlich des Sumida-Flusses verband.
    »Das würde erklären, warum sie sich nicht an ihren üblichen Plätzen aufhalten«, entgegnete Hirata.
    Unter dem hohen Holzbogen der Brücke schaukelten Fährschiffe und Barkassen auf den dunklen Wellen. Sano und Hirata hatten den frühen Nachmittag damit verbracht, Teehäuser, Geschäfte und Spielhöllen zu inspizieren, die vom Mori-Klan aufgesucht wurden, doch sie hatten keine Spur dieser Verbrecherbande gefunden.
    »Wir können nicht einfach durch die Gegend reiten und hoffen, dass Himmelsfeuer uns in die Arme läuft«, sagte Sano. »Wir haben nicht genug Zeit, und die Gegend ist zu groß.«
    Er warf einen Blick zum Horizont. Vom Wind zerzauste Wolken verdüsterten die Berge und den gesamten Himmel. Um den Palasthügel herum dehnte sich das Häusermeer der Riesenstadt, in der eine Million Menschen lebten. Irgendwo im Trubel Edos waren die Ermittler unterwegs, denen Sano befohlen hatte, Himmelsfeuer zu jagen. Er dachte an seine Männer, die gewissenhaft die Straßen durchkämmten. Verzweiflung überkam ihn.
    »Vielleicht hat Himmelsfeuer die Stadt schon verlassen«, sagte Sano.
    »Die Ermittler, die die Hauptstraßen überwachen, werden an den Kontrollpunkten nach ihm Ausschau halten«, erwiderte Hirata.
    »Er wird die Fernstraßen nicht benutzen. Männer wie er reisen auf geheimen Wegen«, stellte Sano nüchtern fest. »Wenn wir ihn außerhalb von Edo fassen

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