Der Verrat
sich in der Mordnacht in Wisteries Zimmer geschlichen und sie aus Yoshiwara herausgeschmuggelt hat.«
»Jetzt wissen wir, dass Himmelsfeuer in Fürst Mitsuyoshis Ermordung verwickelt ist, und wir kennen einen Ort, an dem er sich mit Wisterie versteckt hat.« Sano blickte Reiko und Hirata an. »Danke«, sagte er mit bewegter Stimme, die seine heftigen Gefühle verriet.
Er verneigte sich vor ihnen, und sie taten es ihm gleich. Nach einem Moment des Schweigens fuhr Sano fort: »Das sind weitere Beweise, dass Himmelsfeuer der Mörder ist.« Er berichtete Reiko und Hirata von seinem Gespräch mit Wada, Fürst Matsudairas Wachposten. »Nach Wadas Aussage drohte Himmelsfeuer, Mitsuyoshi zu töten, wenn er seine Spielschulden nicht bezahlte, zumal sie ohnehin verfeindet waren. Himmelsfeuer hatte ein Motiv für den Mord und auch die Gelegenheit, die Tat zu begehen.«
»Er könnte auch Wisterie getötet haben«, vermutete Reiko. »Nach Yuyas Aussage hatten sie im Badehaus einen heftigen Streit. Vielleicht hatte sie Himmelsfeuer zu Fujios Sommerhaus geführt. Dort kam es dann erneut zum Streit, und Himmelsfeuer hat Wisterie totgeschlagen.«
»Ja, die Moris sind wilde Bestien«, erklärte Hirata. »Als ich noch als doshin bei der Polizei Dienst tat, habe ich gesehen, wie sie Dienstmädchen in Teehäusern angegriffen und Ladenbesitzer ermordet haben, weil diese sich nicht von ihnen erpressen ließen.«
Sanos Hoffnung, Wisterie lebend zu finden, schwand immer mehr. »Wir müssen Himmelsfeuer aufspüren«, sagte er. »Wada hatte mich schon zu seiner Spielhölle geführt, doch Himmelsfeuer war nicht dort. Ich habe den ganzen Tag versucht, die Spur dieses Mannes zu finden – vergebens. Aber ich kann einige meiner Leute beauftragen, das Badehaus im Auge zu behalten, falls er dort wieder auftaucht. Im Augenblick ist er unsere größte Chance, den Fall zu lösen.«
Sanos Überleben könnte davon abhängen, Himmelsfeuer aufzuspüren. »Ein Glück für uns, dass er als Mitglied des Mori-Klans erkannt wurde«, fuhr Sano fort. »So wissen wir, wo wir morgen früh als Erstes nach ihm suchen können.«
31.
A
uf Edos größtem Fischmarkt setzte bereits vor der Dämmerung reges Treiben ein. Als Sano am nächsten Morgen in aller Frühe dort ankam, hatten die Fischer ihre Boote schon am Ufer des Kanals festgemacht, der unter der Nihonbashi-Brücke hindurchströmte, und luden ihren Fang ab. Händler, Bedienstete von den Landgütern der daimyō und Restaurantbesitzer taten lautstark ihre Gebote kund. In der riesigen Markthalle schleppten Träger die zappelnden Fische zu den Verkaufsständen. Verkäufer ordneten ihre Waren an und begrüßten die zahlreichen Kunden. Sano schritt durch Gänge, die bereits von einer Schicht aus Schleim und Schuppen überzogen waren. Obwohl die Frauen eifrig wischten und schrubbten, lag der ekelerregende Geruch vermodernden Fisches in der Luft.
Sano ging auf einen Verkäufer zu, der für ihn als Spitzel arbeitete. »Guten Morgen, Kaoru- san .«
»Ah! Guten Morgen, sōsakan-sama .« Der kleine, fröhliche Mann zerschnitt einen großen Thunfisch. Sein Messer bewegte sich so schnell, dass es aussah, als würde das rosa Fleisch sich wie von selbst teilen. »Was kann ich für Euch tun?«
»Ich suche einen Mann namens Himmelsfeuer«, sagte Sano. »Er gehört zum Mori-Klan.«
Als der Verkäufer den Namen hörte, rutschte sein Messer ab, und er schnitt sich. Aus einer Wunde am Finger strömte Blut und tropfte auf den Fisch, doch Kaoru schnitt weiter. »Tut mir Leid, aber ich kenne keinen Mann mit Namen Himmelsfeuer.«
»Hast du ihn in letzter Zeit gesehen?«, beharrte Sano.
»Nein, Herr.« Kaorus Angst vor dem Mori-Klan war stärker als der Wunsch, das Geld von Sano zu bekommen, das er für seine Spitzeldienste erhielt. »Tut mir Leid.«
In einer anderen Ecke des Marktes stritt Hirata mit einem Teeverkäufer. »Ich weiß, dass jeder hier Erpressungsgelder an den Mori-Klan zahlt. Erzähl mir nicht, du hättest noch nie von diesen Halsabschneidern gehört.«
Sano beobachtete enttäuscht seine Ermittler. Sie befragten die Leute, die allesamt mit ängstlichen Mienen die Köpfe schüttelten. Der Markt war eine Hochburg der Bande und ein Zentrum für ihre Verbrechen. Die Schurken überschwemmten den Platz normalerweise wie Ungeziefer, doch heute hatten sie sich rar gemacht.
Als Sano zu seinen Ermittlern hinüberging, sagte Hirata zu ihm: »Es sieht fast so aus, als hätten die Mori uns gerochen und das Weite
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