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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rowland
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wenden könne. Ihr blutiges Gesicht war mit blauen Flecken übersät.«
    Mit verzerrter Miene schlürfte Yuya die Nudeln. Reiko unterdrückte das Bedürfnis, sie zur Eile zu drängen. »Wisterie sagte, sie habe einen furchtbaren Streit mit Himmelsfeuer gehabt – dem Mann, dem das Badehaus gehört«, fuhr Yuya fort. »Er hatte sie so schrecklich verprügelt, dass sie um ihr Leben fürchtete. Wisterie hatte gewartet, bis er fortging, dann war sie davongelaufen. Sie hatte etwas von seinem Geld genommen, wusste aber nicht, wohin sie gehen könnte. Sie wollte mir etwas von dem Geld abgeben, wenn ich für sie einen Ort fände, an dem sie sich verstecken könnte. Sie bettelte so hartnäckig, dass ich sie zu einem Gasthaus brachte, wo sie in Sicherheit war. Dort ist sie jetzt noch.«
    »Können wir zu ihr?«, fragte Reiko ängstlich.
    Yuya blickte Reiko mürrisch an und hielt ihre noch halb volle Schüssel hoch. »Wisterie hat gesagt, sie habe keine Lust mehr, sich zu verstecken. Sie will sich der Polizei stellen und alles sagen, was sie über den Mord weiß.«
    »Und was weiß sie darüber?« Reikos Herz raste. Sie beugte sich zu Yuya vor.
    Die Prostituierte lächelte über Reikos Eifer. »Wisterie hat gesehen, dass Himmelsfeuer den Fürsten Mitsuyoshi ermordet hat. Anschließend hat Himmelsfeuer sie aus Yoshiwara fortgebracht. Sie wollte nicht mit ihm gehen, aber er hat gedroht, sie zu töten, wenn sie ihm nicht folgt.«
    Reiko jubelte im Stillen, blieb aber misstrauisch.
    »Wisterie ist nicht zur Polizei gegangen, weil sie Angst hatte, Schwierigkeiten zu bekommen«, fuhr Yuya fort, ohne etwas von Reikos Zweifeln zu bemerken. »Was immer sie auch sagen würde – die Leute würden annehmen, dass sie lügt, um sich zu schützen. Wenn man Himmelsfeuer nicht fasst, wird jeder Wisterie beschuldigen.«
    Das klang einleuchtend, zumal eine erfundene Geschichte von Yuya mehr Fantasie erfordern würde, als Reiko ihr zutraute. Dennoch blieben Zweifel.
    »Ich habe Wisterie erzählt, dass Ihr zu mir gekommen seid«, sagte Yuya. »Ich habe sie überzeugt, dass Ihr Euren Gemahl von ihrer Unschuld überzeugt, wenn Ihr mit ihr sprecht und ihr die Geschichte glaubt. Sie hat eingewilligt, sich Euch auszuliefern, wenn der sōsakan-sama ihr hilft.«
    Yuya stellte ihre leere Schüssel ab und hob die Augenbrauen. Da Reiko zögerte, fügte Yuya hinzu: »Himmelsfeuer wird Wisterie suchen. Wenn er sie eher findet als Ihr, wird er sie töten.«
    Reiko kam zu dem Schluss, dass sie weniger zu verlieren als zu gewinnen hatte, wenn sie Yuya glaubte. Falls die Geschichte der Wahrheit entsprach, könnte sie Wisterie heute noch an Sano übergeben. Die Kurtisane wäre vor Himmelsfeuer und den Behörden in Sicherheit, und Sano wäre von der Anklage des Verrats und Mordes entbunden.
    »Einverstanden«, stimmte Reiko zu.
    Yuya schenkte ihr ein selbstgefälliges, verschwörerisches Lächeln und streckte die Hand aus. »Zuerst müsst Ihr mich bezahlen.«
    »Meine Eskorte begleitet uns«, sagte Reiko und zog ein Bündel Geld aus ihrem Ärmel.
    Die Prostituierte zuckte die Schultern. »Soll mir recht sein«, erwiderte sie und stopfte das Geld unter ihr Kleid.
    Die Frauen verließen die Nudelküche und stiegen in die Sänfte. »Vier Querstraßen geradeaus und dann rechts«, sagte Yuya.
    Reiko gab diese und die nachfolgenden Anweisungen an ihre Eskorte weiter. Als die Gruppe sich durch die Straßen schlängelte, kämpfen Angst und Hoffnung in ihrem Innern, und die Neugier, eine Frau zu treffen, die ein intimes Verhältnis mit Sano gehabt hatte, stritt mit der Furcht, hereingelegt zu werden. Yuya lehnte sich gegen die Kissen, doch ihr scharfer Blick passte nicht zu ihrer entspannten Haltung. Reiko betrachtete abwechselnd ihre Begleiterin und die Straßen. Die unveränderlich schmutzige, eintönig triste Gegend machte es schwer, ein Fortkommen zu erkennen.
    »Wie weit ist es noch?«, fragte Reiko.
    »Wir sind gleich da«, erwiderte Yuya.
    Nachdem fast eine Stunde verstrichen war, sagte Reiko mit wachsendem Argwohn: »Wisst Ihr wirklich, wo Wisterie ist?«
    »Natürlich«, zischte Yuya ungehalten. »Ihr seid eine vornehme Dame, und ich bin eine kleine Hure. Doch wenn Ihr Wisterie sprechen wollt, solltet Ihr nett zu mir sein.«
    Die Sänfte bog in die große Ost-West-Straße ein, die Edo durchschnitt. Ein berittener daimyō , der von zahlreichen Soldaten und Dienern begleitet wurde, nahm die gesamte breite Straße in Anspruch. Fußgänger knieten nieder und verneigten

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