Der Verrat
bedeuten.«
Doch Sano konnte sehen, dass Hoshina sein Wissen über Himmelsfeuer und die Erkenntnisse im Mordfall gegeneinander abwog. Und auch der Polizeikommandeur wusste, wie gut ein brutaler und rücksichtsloser Verbrecher zu dem Mord passte.
»Wir haben Zeugen, die Himmelsfeuer mit dem Verbrechen in Verbindung gebracht haben«, fuhr Sano fort. »Kurtisane Wisteries kamuro hat zugegeben, dass Himmelsfeuer sie gezwungen hat, ihm Zutritt ins ageya zu gewähren, wo Wisterie zu dem Zeitpunkt mit Fürst Mitsuyoshi schlief. Nach der Tat hat er die Torwachen Yoshiwaras bestochen, dass sie ihn hinauslassen. Die Wachen haben beobachtet, dass er mit acht Männern nach Yoshiwara gekommen ist und das Vergnügungsviertel mit neun Personen verlassen hat. Die neunte Person war Wisterie – in einer Verkleidung.«
»Ihr habt Leute gezwungen, auszusagen, was Ihr hören wolltet«, behauptete Hoshina. »Eure Geschichte ist eine reine Erfindung! Ich habe keine Zeit, Euch noch länger zuzuhören.«
»Ihr habt keine Zeit, weil Ihr noch mehr falsche Beweise gegen mich erfinden müsst, nehme ich an«, spottete Sano. »Wollt Ihr wirklich darauf wetten, dass Ihr das Spiel gewinnt?«
»Dass ich nicht lache!«, sagte Hoshina.
Sano sah jedoch, dass die Neuigkeiten über Himmelsfeuer an Hoshinas Nerven zerrten. Yamaga und Hayashi traten nervös von einem Bein aufs andere. Hirata grinste.
»Die Chancen haben sich geändert«, sagte Sano zu Hoshina. »Jetzt kann Eure Intrige Euch ebenso selbst vernichten wie mich. Das ist die Grundlage für unsere gemeinsamen Interessen, die ich erwähnte. Deshalb solltet Ihr Euch lieber anhören, was ich Euch noch zu sagen habe.«
Hoshinas Haltung und seine Miene veränderten sich. Sein Gesicht nahm einen Ausdruck tiefer Konzentration an, als er darüber nachdachte, ob er Sanos Bitte entsprechen sollte. Er erinnerte Sano an einen Mann, der von Stein zu Stein über einen tiefen, reißenden Fluss sprang. Schließlich wandte Hoshina sich an seine beiden yoriki und befahl ihnen: »Lasst uns allein.«
Die Männer gingen mit mürrischen Mienen davon. Hoshina starrte Sano mit zusammengekniffenen Augen an.
»Wenn Ihr den Shōgun davon überzeugt, dass ich ein Mörder und Verräter bin, werde ich hingerichtet«, fuhr Sano fort. »Doch wenn ich Himmelsfeuer zuerst fasse und er sich als der wahre Mörder erweist, seid Ihr als Betrüger entlarvt, der verhindern wollte, dass ich den Mord an Fürst Mitsuyoshi räche. Und dann werdet Ihr an meiner Stelle sterben.«
»Denkt darüber nach, was Ihr dadurch gewinnt, wenn Ihr mich vernichtet. Einen kurzen Moment öffentlicher Anerkennung? Die Gunst des Shōgun, die sich dreht wie der Wind?« In Sanos Stimme schwang Verachtung mit. »Ist dieser Preis es wert, Euer Leben zu riskieren?«
Hoshina trat unwillkürlich einen Schritt zur Seite und erstarrte dann, als hätte er die Mitte des Flusses erreicht, wo keine Steine mehr lagen. Sano und Hirata warteten gespannt, denn ihre Zukunft hing davon ab, Hoshinas Widerstand zu brechen. Tödliche Stille legte sich auf das Polizeigelände und verschluckte sämtliche anderen Geräusche. Die Welt ringsum existierte nicht mehr.
»Es wäre besser, wenn Ihr Eure Rivalität auf später verschiebt und mit mir zusammenarbeitet«, riet Sano ihm leise.
Der Polizeikommandeur starrte Sano wütend an. Dann zerbrach sein Widerstand, und seine angespannten Muskeln erschlafften. Er gab sich geschlagen; dennoch strahlte er noch immer eine Abneigung gegen Sano aus, wie erloschene Kohlen ihre Gluthitze. »Was wollt Ihr?«, fragte er in dumpfem Tonfall.
Sano verspürte überwältigende Erleichterung. Er hatte gewusst, dass Hoshina zum Nachgeben neigte, wenn die Bedrohung zu groß wurde. Dennoch war Sano nicht sicher gewesen, ob er Hoshina überzeugen konnte. »Ich möchte Euch einen Handel vorschlagen. Ich werde es Euch hoch anrechnen, wenn Ihr mir helft, den Mordfall zu lösen und Himmelsfeuer zu ergreifen. Er hat sämtliche gewohnten Plätze verlassen, an denen der Mori-Klan sich normalerweise aufhält. Sagt mir, wo er sonst noch sein könnte.«
»Ihr erwartet von mir, dass ich Euch den Mörder für ein paar leere Worte des Lobes liefere?« Hoshina blickte Sano mit bitterem Groll an und schüttelte den Kopf. »Ich kann Himmelsfeuer auch allein fassen und den Ruhm für mich selbst ernten.«
»Kommt meiner Bitte nach, und Ihr werdet diesen Fall unbeschadet überstehen«, versprach Sano. »Weigert Ihr Euch, werde ich dem Shōgun verständlich
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