Der Verrat
auf beiden Etagen. Sano sah Arbeiter, die in den angrenzenden Lagerhallen ein und aus gingen, doch jenes Lagerhaus, das Hoshina als das vom Mori-Klan identifiziert hatte, schien verlassen zu sein.
»Wenn wir Glück haben, versteckt Himmelsfeuer sich dort«, sagte Sano.
Hoffnung loderte in ihm auf, als er seine Truppe über die Straße führte und alle vor dem Lagerhaus aus dem Sattel stiegen. Lärm drang zu ihnen herüber: die Schreie von Männern, das lärmende Abstellen der Ladungen in den angrenzenden Gebäuden, das Hämmern auf einer fernen Baustelle. Doch im Lagerhaus des Mori-Klans herrschte Stille. Sano teilte die fünfzig Ermittler in zwei Gruppen auf. Unter Sanos und Hiratas Führung marschierten die beiden Gruppen auf der linken und rechten Seite der Gasse auf das Lagerhaus zu. An der Rückseite entdeckten sie eine weitere verschlossene Tür sowie Fenster mit Blick auf einen Hof, der sich bis zu einem verlassenen Dock erstreckte. Sano befahl zehn Ermittlern, die Hinterseite des Gebäudes zu bewachen, und führte die anderen Männer zurück zur Front des Lagerhauses.
Sano hämmerte laut gegen die verwitterten Holzplanken und wartete. In dem Gebäude rührte sich nichts. Doch Sano spürte die Anwesenheit von Menschen wie einen warmen, lebendigen Geruch hinter der Tür.
»Macht auf!«, rief er und hämmerte abermals.
Keine Antwort. Sano versuchte die Tür zu öffnen, doch sie war von innen fest verschlossen. Er gab drei seiner kräftigsten Ermittler ein Zeichen. »Brecht sie auf.«
Während Sano, Hirata und die anderen zurücktraten, warfen die drei Männer sich mit den Schultern gegen die Tür. Der Aufprall erschütterte die Holzplanken. Unter den erneuten Schlägen spannten sich die Angeln. Holz splitterte und krachte; die Planken spalteten sich.
Plötzlich spürte Sano einen Luftzug hinter sich. Er erkannte das zischende Geräusch, duckte sich erschrocken und sah sich um. Neben seinen Füßen bohrte sich ein Pfeil in den Boden.
»Vorsicht!«, rief er. »Sie schießen auf uns!«
Er spähte in die Richtung, aus der der Pfeil abgeschossen worden war und sah, dass die drei Fenster im zweiten Stockwerk geöffnet worden waren. Aus jedem lehnte ein Samurai, jeder mit einem Bogen bewaffnet. Sie schossen Pfeile auf Sano und seine Ermittler ab.
»Zieht euch zurück! Erwidert den Beschuss!«, befahl Sano seinen Leuten.
Sie stürmten in kleinen Gruppen über die Straße. Die Schützen unter ihnen schossen auf die Samurai an den Fenstern des Lagerhauses, die den Angriff erwiderten. Fußgänger schrien vor Angst. Ein Pfeil traf das Bein eines Trägers. Er ließ seine Last fallen und kroch in Deckung. Arbeiter aus den angrenzenden Lagerhäusern eilten herbei, um sich den Tumult anzuschauen.
»Geht in Deckung!«, rief Sano ihnen zu und winkte.
Immer mehr Pfeile sirrten durch die Luft; Menschen suchten hastig Deckung. Binnen kürzester Zeit war der Bereich menschenleer – bis auf Sano, seine Ermittler und deren Gegner. Er spürte, dass ein Pfeil von seinem Waffenrock abprallte, sah einen Ermittler, den ein Pfeil im Nacken traf, worauf der Mann zu Boden sank. Blut spritzte aus der Wunde.
»Wir gehen hinein und schnappen uns Himmelsfeuer«, rief Sano Hirata zu.
Mit gezogenen Schwertern und in geduckter Haltung überquerten sie mit einem Trupp Ermittler die Straße, während ihnen die Pfeile nur so um die Ohren zischten. Einer der Männer vom Mori-Klan schrie auf, stürzte aus dem Fenster und landete mit einem dumpfen Aufprall auf der Erde – getötet von einem Pfeil, der seinen Bauch durchschlagen hatte. Männer erschienen an den Dachfenstern und schleuderten Steine auf Sano und seine Ermittler.
Sano warf seinen freien Arm hoch, um sich vor den Steinschlägen zu schützen, doch eines der Wurfgeschosse traf ihn am Ellbogen, worauf ein stechender Schmerz durch seinen Körper zuckte. Er hob den Blick und sah einen der Verbrecher vom Mori-Klan, den ein Pfeil in die Brust getroffen hatte. Der Mann stürzte vom Dach und prallte auf die Erde. Ein Ermittler neben Sano brach inmitten des Steinhagels zusammen. Als Sano, Hirata und die anderen sich der Tür näherten, rief eine laute Männerstimme: »Stehen bleiben!«
Sano verharrte, hob den Blick und sah einen Mann im Fenster über der Tür. Er war stämmig und muskulös und besaß ein kantiges Gesicht, das wie aus Stein gemeißelt schien. Einige Strähnen seines dicken Haars hatten sich aus dem Haarknoten gelöst und fielen in die Stirn und über seine Brauen, die
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