Der Verrat
zu einem finsteren Ausdruck verzogen waren. Seine flinken Augen funkelten unnatürlich.
Sano erinnerte sich auf Anhieb an die Beschreibung. »Stellt den Beschuss ein!«, befahl er seinen Ermittlern. Die Männer gehorchten.
Sano überkam wilde Freude. Hier war der Mann, den er des Mordes an Fürst Mitsuyoshi und Wisterie verdächtigte und der seine Rettung bedeuten könnte!
»Himmelsfeuer«, stieß er hervor.
» Sōsakan-sama «, erwiderte der Schwerverbrecher in rauem, spöttischem Tonfall. »Ihr habt mich gefunden.«
»Ergebt Euch«, befahl Sano. Seine Schützen richteten ihre Bogen auf Himmelsfeuer. »Kommt heraus.«
Himmelsfeuer grinste höhnisch und zog eine schmale Gestalt an sich. Sie hatte den rasierten Scheitel und den Haarknoten eines Samurai und trug einen dunkelblauen Umhang. Doch ihr zartes Gesicht passte nicht zu den Männerkleidern. Sano starrte sprachlos in die hübschen Augen, die er einst so bewundert hatte und die nun von Angst erfüllt waren.
Es war Kurtisane Wisterie.
»Hier ist jemand, den Ihr gesucht habt, sōsakan-sama «, sagte Himmelsfeuer. »Entweder Ihr lasst mich gehen, oder ich töte sie.«
33.
E
ntsetzt starrte Sano auf Himmelsfeuer und Wisterie. Seine Gedanken überschlugen sich.
Wisterie lebte also doch noch. Sie trug noch immer die Verkleidung, in der sie mit dem Mori-Klan aus Yoshiwara geflohen war.
Sano hatte den des Mordes verdächtigen Mann gefunden, doch Wisteries Anwesenheit erschwerte die Verhaftung Himmelsfeuers.
Während Sano und seine Männer regungslos verharrten, grinste Himmelsfeuer feindselig. Wisterie stieß einen flehenden Schrei aus: »Sano- san !«
Ihre Stimme weckte in Sano wehmütige Erinnerungen und Mitleid. Ihre offensichtliche Angst vor ihrem Begleiter verstärkte sein Verlangen, dieser Frau in ihrer Not zu helfen. Rasches Handeln war geboten, um Wisteries Leben zu retten – und damit Sanos Zeugin des Mordes an Fürst Mitsuyoshi.
»Nehmt den Burschen ins Visier«, befahl Sano den Ermittlern. Links und rechts von ihm hoben die Schützen ihre Bogen. Die Pfeile waren auf Himmelsfeuer gerichtet. »Lasst Wisterie gehen«, forderte Sano den Verbrecher auf.
Himmelsfeuers Blick huschte hin und her. Er zog Wisterie vor seine Brust, die vor Angst am ganzen Leib zitterte. »Sagt Euren Männern, sie sollen die Waffen niederlegen«, rief Himmelsfeuer.
»Legt die Waffen nieder«, befahl Sano seinen Leuten, denn es bestand die Gefahr, Wisterie zu verletzen, wenn sie auf Himmelsfeuer zielten.
Die Bogenschützen folgten dem Befehl. Himmelsfeuer zog seinen Dolch und drückte die Schneide auf Wisteries Kehle. Als sie sich krümmte, kreischend vor Angst, rief Himmelsfeuer Sano zu: »Zieht Euch zurück, oder ich töte sie!«
Alles in Sano sträubte sich dagegen, den Forderungen dieses Mannes nachzugeben; dennoch gehorchte er. Seine Truppe und Hirata folgten seinem Beispiel.
»Weiter, weiter!«, brüllte Himmelsfeuer. Als zwischen Sano und dem Lagerhaus zwanzig Schritte lagen, rief er: »Halt!«
Sano und seine Männer blieben stehen. »Es bringt Euch nichts ein, wenn Ihr Wisterie tötet«, sagte Sano zu Himmelsfeuer. »Ihr entwischt uns nicht.«
»Oh doch.« Himmelsfeuer lachte hämisch, drehte sich dann um und wechselte ein paar Worte mit einem Komplizen. Hinter den anderen Fenstern im zweiten Stock entwickelte sich reges Treiben. Plötzlich tauchte hinter jedem Fenster ein Schurke mit einer brennenden Laterne auf.
»Das ganze Lagerhaus ist mit Öllampen, Stroh und anderem brennbaren Material gefüllt«, verkündete Himmelsfeuer. »Entweder Ihr helft mir, die Stadt unversehrt zu verlassen, oder ich setze das Haus in Brand – mit mir und Wisterie.«
Sano lauschte ungläubig den Worten. Er hörte das Gemurmel seiner Männer und einen erstickten Ausruf Hiratas.
»Wird’s bald?«, spottete Himmelsfeuer. »Dann sage ich Euch genau, was Ihr tun müsst. Zuerst aber schickt Ihr Eure Ermittler fort.«
Hiratas entsetzter, fragender Blick wanderte von dem Verbrecher zu Sano.
»Wir dürfen ihn nicht laufen lassen«, sagte Sano, den seine Zwangslage in Furcht und Schrecken versetzte. »Wenn dieser Kerl Fürst Mitsuyoshi getötet hat, sind er und Wisterie meine einzige Hoffnung, dass ich meine Unschuld zweifelsfrei beweisen kann. Andererseits kann ich nicht zulassen, dass er seine Drohungen wahr macht …«
»Würde er sich wirklich bei lebendigem Leibe verbrennen?«, fragte Hirata entsetzt.
»In seinen Adern fließt das Blut eines Samurai. Und ein Samurai
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