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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rowland
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und Hoshina hin- und herschweifen. Die Ältesten saßen unbewegt da, doch Sano spürte, dass ihre Aufmerksamkeit auf Kammerherr Yanagisawa gerichtet war, wenngleich keiner von ihnen den Kammerherrn direkt anschaute. Yanagisawa, die wahre Macht hinter dem Shōgun, übernahm für gewöhnlich die Gesprächsführung bei solchen Zusammenkünften, erteilte Anweisungen und schlichtete Streitigkeiten, doch an diesem Abend war er ungewohnt zurückhaltend, und seine Miene war undurchschaubar. Er nahm einen Zug an seiner Tabakspfeife und beschränkte sich auf die Frage: »Habt Ihr sonst noch etwas über Eure Ermittlungen zu berichten, sōsakan-sama? «
    »Ja«, sagte Sano, der nicht so recht wusste, ob er Yanagisawa dankbar sein sollte, das Thema gewechselt zu haben, oder ob sein einstiger Todfeind etwas im Schilde führte. »Ich bin auf einen weiteren Verdächtigen gestoßen.«
    »Wen?«, fragte Yanagisawa.
    »Schatzministe r Nitta Monzaemon.«
    Der Shōgun stieß einen Ausruf des Erstaunens aus. Die Ältesten blickten fassungslos, während sich auf Yanagisawas Gesicht Erschrecken und Wachsamkeit zugleich spiegelten. Als Sano die Geschichte von Nitta, Wisterie und Fürst Mitsuyoshi erzählte und berichtete, dass der Schatzminister sich zum Zeitpunkt des Mordes im ageya Owariya aufgehalten hatte und dass er nach dem Mord auf verdächtige Weise verschwunden war, wurden Hoshinas Augen schmal. Anscheinend hörte er diese Geschichte zum ersten Mal, und es gefiel ihm ganz und gar nicht, dass nicht er, sondern Sano sie aufgedeckt hatte.
    »Nitta -san hat mir stets gut gedient, und ich habe nie an seiner … äh, Treue und Ergebenheit gegenüber mir und meiner Familie gezweifelt«, sagte Tokugawa Tsunayoshi. »Dass er meinen Vetter ermordet hat, ist undenkbar …« Doch die Zweifel des Shōgun schlugen augenblicklich in Wut um. »Aber falls er wirklich der Täter war, wird er sterben!«
    Dass schon der Hauch eines Verdachts ausreichte, um beim Shōgun jahrelange treue Dienste vergessen zu machen und Zweifel in ihm zu wecken, vergiftete die Atmosphäre.
    »Woher habt Ihr Euer Wissen über Nitta- san ?«, fragte Hoshina, an Sano gewandt.
    »Von einem vertrauenswürdigen Informanten«, erwiderte Sano, um sein Versprechen gegenüber Makino zu halten.
    Hoshina blickte Yanagisawa an. Als der Kammerherr schwieg, huschte ein Ausdruck der Verwunderung über Hoshinas Gesicht. Offenbar hatte er damit gerechnet, der Kammerherr würde Sano auffordern, den Namen des Informanten zu nennen.
    »Wurde Nitta bereits vernommen?«, wandte Hoshina sich wieder an Sano. Er wirkte jetzt vorsichtiger, als wäre er sich ohne Yanagisawas Rückendeckung seines Sieges über Sano nicht mehr so sicher.
    »Ich habe einen Trupp meiner Ermittler zu seinem Anwesen geschickt«, erklärte Sano, der den entsprechenden Befehl bereits erteilt hatte, bevor er in den Palast gekommen war. »Falls Nitta sich dort aufgehalten hat, steht er inzwischen unter Hausarrest. Sollten meine Leute ihn nicht zu Hause angetroffen haben, sind in diesem Augenblick Suchtrupps unterwegs. Ich werde Nitta- san vernehmen, sobald meine Männer ihn aufgespürt haben.«
    Der Shōgun nickte zufrieden, während Hoshina die Lippen zusammenpresste. Er musste zugeben, dass sein Rivale ihn bisher ausgestochen hatte.
    »Wie sehen Eure weiteren Pläne aus, sōsakan Sano?«, fragte Kammerherr Yanagisawa, dessen Miene so ausdruckslos blieb wie zuvor und nicht erkennen ließ, was in seinem Innern vor sich ging.
    Sano hatte Hoshina seine Strategie nicht anvertrauen müssen, dem Kammerherrn jedoch war er zur Antwort verpflichtet. »Ich werde die Familie, die Verbündeten und die Gefolgsleute Mitsuyoshis zusammenrufen und jeden befragen, ob der Fürst Feinde hatte oder ob er etwas getan hat, das jemanden so sehr gegen ihn aufbrachte, dass er ihm den Tod wünschte.«
    Ruckartig setzte der Shōgun sich im Bett auf; aller Schmerz schien mit einem Mal vergessen. »Mitsuyoshi war ein freundlicher und ehrenhafter junger Mann, der von allen geliebt wurde. Nie hat er anderen etwas zuleide getan!«, stieß der Shōgun wutentbrannt hervor. Sein Gesicht war verzerrt, und Speicheltropfen sprühten von seinen Lippen. »Wollt Ihr etwa sagen, dass er an seinem Tod selber schuld ist?«
    »Natürlich nicht, Herr«, erwiderte Sano rasch. Offenbar hatte der Shōgun seine Worte völlig falsch verstanden: Die Vernehmung der Verwandten und Gefolgsleute Fürst Mitsuyoshis war ganz normale Ermittlungsarbeit und bedeutete keineswegs, dass

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