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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rowland
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damit beschäftigt waren, zu baden, ihre Frisuren zu richten und sich anzukleiden. Midori befand sich im Privatgemach der Mutter des Shōgun, Fürstin Keisho-in. Während Dienerinnen die Fürstin kämmten, schminkte Midori die alte Frau mit einer Mischung aus weißem Reispulver und Kamelienöl. Ihre Hände bewegten sich wie von selbst, als sie die Fingerspitzen ins Schminkgefäß stippte, um die Mischung dann behutsam auf Keisho-ins Haut zu verreiben; mit den Gedanken war Midori bei Hirata, nach dem sie sich schmerzlich sehnte. Er war am Abend zuvor nicht zu ihr gekommen, und die Stunden, die seit dem miai verstrichen waren, kamen Midori wie eine Ewigkeit vor.
    »Autsch!«, rief Keisho-in und zuckte vor Midoris Händen zurück, während ihr rundes, runzliges Gesicht sich in Falten legte. »Du hast mir schon wieder Schminke ins Auge geschmiert! Kannst du nicht aufpassen?«
    »Tut mir Leid!« Midori griff nach einem Tuch, um die Augenwinkel ihrer Herrin abzutupfen, doch Keisho-in stieß sie von sich.
    »Du bist in letzter Zeit so geistesabwesend!«, beklagte sich die Fürstin und wedelte mit der Hand, als wollte sie einen lästigen Bittsteller verscheuchen. »Hinaus mit dir! Komm erst wieder her, wenn du deine Sinne wieder beisammen hast!«
    Froh, von ihren Pflichten entbunden zu sein, flüchtete Midori aus dem Inneren Schloss. Sie eilte durch den Garten, als sie plötzlich Hirata sah, der auf sie zukam.
    »Hirata- san !«, rief Midori. Er lächelte, und sie warf sich in seine Arme. Als sie seine Berührung spürte, brach sie vor Freude in Tränen aus. »Ich dachte schon, du würdest nie wiederkommen. Ich hatte schreckliche Angst, dass du mich nicht mehr liebst.«
    »Wie kommst du denn darauf?«, erwiderte Hirata lächelnd.
    Es war noch früh an diesem kalten Wintermorgen, sodass sie den Garten für sich allein hatten; dennoch nahm Hirata Midoris Hand und führte sie in den Fichtenhain, in dem sie sich schon so oft getroffen hatten. Die Luft war erfüllt vom würzigen, schweren Duft nach Baumharz, und der Boden war von einer weichen Schicht aus Fichtennadeln bedeckt, auf der sie beide schon oft gelegen hatten.
    »Du zitterst ja«, stellte Hirata fest, hüllte sie in seinen Umhang und drückte sie an sich.
    Sie kuschelte sich in seine Arme und sagte: »Mein Vater war so gemein zu dir, dass du mich jetzt hasst, nicht wahr?«
    »Nichts kann meiner Liebe zu dir etwas anhaben.« Hirata legte ihr die Hände auf die Schultern, drehte sie zu sich um und blickte ihr mit einem solch aufrichtigen Blick in die Augen, dass ihre Furcht verflog. »Was im Theater geschehen ist, war nicht deine Schuld.« Als Midori vor Erleichterung in Tränen ausbrach, fügte Hirata hinzu: »Meine Familie ist der deinen nicht böse. Aber wie kommt dein Vater bloß auf den Gedanken, wir wären seine Feinde?«
    Midori schämte sich so sehr, dass sie sich von Hirata löste und das Gesicht abwandte. »Er regt sich jedes Mal schrecklich auf, wenn die Tokugawa oder deren Verbündete zur Sprache kommen«, sagte sie leise, beinahe flüsternd. »Wegen dem, was sie unserem Klan in der Vergangenheit angetan haben.«
    »Ich verstehe«, erwiderte Hirata, doch sein Tonfall verriet, dass er nicht begreifen konnte, weshalb Fürst Niu die Vergangenheit nicht verwinden konnte – eine Vergangenheit, mit der andere daimyō , deren Klans ebenfalls zu den Verlierern der Schlacht von Sekigahara zählten, sich längst abgefunden hatten. »Würde er wirklich versuchen, meinen Vater zu töten?«
    Ein Schluchzen erstickte Midoris Antwort.
    »Oh!«, sagte Hirata. »Ist er immer so?«
    »Nicht immer …« Midori brachte es nicht über sich, Hirata anzuvertrauen, dass Fürst Nius Wutausbrüche meist noch schlimmer waren als der im Theater. »Ist dein Vater immer noch so wütend?«, fragte sie ängstlich. »Hat er dir gesagt, ob er trotz allem damit einverstanden wäre, dass wir heiraten?«
    »Ich … ich hatte kaum Gelegenheit, mit ihm zu reden.«
    Midori erkannte, dass Hirata ihr bloß die schmerzliche Wahrheit ersparen wollte. Eisige Furcht überkam sie, denn nun schien die Ehe mit Hirata in größere Ferne gerückt als je zuvor, obwohl sie für Midori immer wichtiger wurde, allein schon wegen ihrer Schwangerschaft.
    Wieder brach sie in Tränen aus. »Was sollen wir denn jetzt tun?«, fragte sie weinend.
    »Am besten, wir warten eine Weile«, sagte Hirata. »Vielleicht glätten sich die Wogen, und wir bekommen eine neue Chance.«
    Doch in seiner Stimme lag kaum Hoffnung, und

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