Der Verrat Der Drachen: Roman
dass du das willst. Ich habe noch einiges zu erledigen. Morgen fliegen wir ab.«
Das hörte sich in Shaans Ohren nicht gut an, aber sie fragte ihn nicht, was er meinte, da er sie mit Alterin allein ließ.
Shaan beugte sich kniend über die ausgestreckte Seherin, holte tief Atem und spürte, wie der Druck hinter ihrem Brustbein jetzt leicht aufwallte. Jedes Mal kam er schneller. Sie sah Alterins bleiches Gesicht an, strich ihr das Haar zärtlich aus den Augen, legte ihr die linke Hand vorsichtig auf die Stirn und begann, die Erschöpfung aus ihr herauszuziehen.
Es war früh am Morgen, unmittelbar vor der Dämmerung, als die Dienerin wiederkam, um sie zu holen; sie riss sie aus dem Schlaf, um sie über den Hof zu Azoth zu bringen. Der Anhänger, den sie im Bett zu tragen begonnen hatte, hing noch um ihren Hals, und sie zog das seidene Umschlagtuch um sich, als sie die Stufen zum hohen Pavillon emporstieg. Azoth stand an der Mauer und sah auf seinen Haupthof hinaus.
»Guten Morgen, meine Liebe«, sagte er leise, als sie zu ihm hinüberging. »Du kommst gerade rechtzeitig.«
Es war ein klarer Tag; der Morgen dämmerte am Horizont herauf und übergoss den Dschungel und die Dächer der Stadt mit einem rosigen Bronzeschimmer. Auf dem Hof lagen gewaltige Körbe auf dem Steinpflaster; bewaffnete Scanorianer kletterten hinein. An den Körben waren große Geschirre befestigt; ringsum hockten Drachen auf den Mauern.
»Meine Kinder werden sie tragen«, sagte Azoth und strich ihr sanft mit der Hand übers Haar. »Und heute Nachmittag werden du und ich und der Stein wieder auf Nuathins Rücken sitzen. Es ist an der Zeit, aufzubrechen und deinen Bruder zu besuchen.«
Shaan konnte nicht sprechen. Damit hatte sie nicht gerechnet; sie würden Balkis und die Armee binnen weniger Tage erreichen. Furcht wand sich durch ihre Wirbelsäule. Würden Rorc und Tallis rechtzeitig mit den Clans dorthin gelangen? Und die Vier? Sie war von Ungewissheit erfüllt. Tuon und Veila sagten, dass sie den Stein zerbrechen musste, um ihre Erlösung zu bewirken, aber sie wusste nicht, wie oder wann sie das tun sollte. Oder ob sie es überhaupt konnte. Sabut hatte ihr gesagt, sie müsse sicherstellen, dass Azoth den Stein in die Schlacht mitnahm, so dass die Vier ihn ihm stehlen und sein wahnsinniges Machtstreben aufhalten konnten – aber was dann? Der Gedanke, dass noch mehr Götter den Schöpferstein halten könnten, erfüllte sie mit Furcht. Sabut war so lange nicht mehr auf dieser Welt gewesen; kannte er sie wirklich noch? Würden die Vier ihnen wirklich helfen? Es kam ihr nicht richtig vor. Sollte sie versuchen, den Stein zu zerstören, bevor sie ihn benutzen konnten? Es gab so vieles, was sie nicht wusste.
Azoth beobachtete sie mit etwas, das Zärtlichkeit ähnelte, aber nicht ganz gleichkam. »Freust du dich nicht?«, fragte er. »Ich nehme den Stein mit.«
Shaan nickte, immer noch unfähig zu sprechen, und er beugte sich nahe an sie heran und schlang ihr den Arm um die Taille, als er sagte: »Ich werde gewinnen, meine Liebe. Ich werde für dich siegen.«
Shaan spürte, wie sich sein warmer Körper an ihre Seite schmiegte, spürte seinen Atem auf ihrem Hals, aber ihr wurde dadurch nur kälter, während sie zusah, wie Drache um Drache an die Körbe geschirrt wurde. Dann stieg jeder mit einem Alhanti auf dem Hals und Kriegern unter sich auf, bis der Himmel von ihren großen, weit ausgebreiteten Flügeln erfüllt war; sie trugen ihre Last nach Süden, in den Krieg.
Der Wüstenmorgen war heiß und trocken; ein schneidender Wind blies Sand um Tallis’ Beine, während er zusah, wie die Zelte der anderen Clans abgebrochen wurden. Die Jalwalah-Krieger würden binnen der nächsten paar Stunden zum Aufbruch bereit sein, und der Brunnen hatte sich mit der Stille zu füllen begonnen, die nur der Krieg bringen konnte: den unbewegten Gesichtern der Zurückgelassenen, Augen, in denen Verlustangst stand, Kindern, die sich fürchteten, obwohl sie nicht wussten, warum.
»Das erinnert mich an den letzten Krieg mit den Raknah.« Mailun war am Ausgang der großen Höhle zu ihm getreten. »All die jungen Männer und Frauen – fort.« Ihre Stimme war sanft, ihre Augen von Erinnerungen erfüllt.
Tallis verschränkte die Arme und spürte Beklemmung in der Brust. Er war damals noch ein Junge gewesen, aber er erinnerte sich ebenfalls an den Tag. Cale und Malshed, Haldanes Söhne, waren unter denjenigen gewesen, die nicht zurückgekehrt waren, und er erinnerte
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